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EDITION MUSIK SÜDOST

Eine Messe für die königliche Freistadt Arad

Vor 170 Jahren wurde Arad zur königlichen Freistadt ernannt. Eine besondere musikalische Widmung zu diesem Anlass.

von Dr. Franz Metz

Viele Banater Musiker und Komponisten widmeten im 19. Jahrhundert ihre musikalischen Schöpfungen neuentstandener Gesangvereinen, Musikschulen, Priestern und Bischöfen oder schrieben diese für bestimmte gesellschaftspolitische oder kirchliche Ereignisse. Mit der steigenden Zahl der Gesangvereine im 19. Jahrhundert hatte man auch einen immer größeren Bedarf an entsprechender Chorliteratur. Für Landessängerfeste, festliche Gelegenheiten und Sängertreffen komponierten Banater Musiker Auftragswerke, deren Uraufführung wichtige Ereignisse in der Kulturszene dieser Region bedeuteten. Ähnlich geschah es auch vor 170 Jahren, als ein für die Musikgeschichte fast völlig unbekannter Autor seine Messkomposition der Stadt an der Marosch gewidmet hat.

Das Jahr 1826 war für die Stadt Arad von größter Bedeutung: Kaiser und König Franz I. hat diese Stadt zur königlichen Freistadt erhoben. Überreicht wurde die Urkunde im Rahmen eines großangelegten Festes erst im Jahre 1834 durch den Präfekten des Arader Komitats und dem königlichen Kommissar Laurenz von Orczi de Orczy. Eine Woche lang feierte die Stadt Arad dieses Ereignis und konnte sich jetzt auch, wie bereits seit 1782 die Stadt Temeswar, als eine königliche Freistadt bezeichnen. Dies brachte der Stadt große steuerrechtliche Vorteile und führte zu einer blühenden Wirtschaft und Kultur. Das Arader Konservatorium bestand bereits seit einem Jahr, 1833. Der Gesandte des Kaisers und Königs wurde mit der Volkshymne Gott erhalte Franz den Kaiser begrüßt, gesungen von den Schülern dieser musikalischen Institution. In der Stadtpfarrkirche fand ein feierlicher Gottesdienst mit einem Te Deum statt. Durch sekundäre Quellen konnte auch die Messe entdeckt werden, die anlässlich dieses Festgottesdienstes aufgeführt wurde: Solemne Messe / aus der Oper / Joseph und seine Brüder / von Mehul / bearbeitet und dem / Musicalischen Künstler Verein / der / Königlich eliberirten Stadt Arad / ehrfurchtsvoll gewidmet / von / Franz Hybl.

Franz Hybl war vermutlich ein Kapellmeister der in jener Zeit in Arad tätig war. Dem Namen nach stammte er entweder aus Bayern oder aus Mähren. In Olmütz/Olomouc war Wilhelm Hybl (1751-1824) als Musiker tätig. In Straubing (Niederbayern) lebte im 19. Jahrhundert Heinrich Hybl (1847-1908), dessen Vater als Chordirektor an der Stadtpfarrkirche tätig war. Biographische Daten bezüglich Franz Hybl konnten bisher noch nicht entdeckt werden. Seine Idee, aus verschiedenen Teilen und Motiven der Oper Méhuls eine Messe zusammenzustellen, ist nicht einzigartig in der Musikgeschichte: im süddeutschen Raum führte man im frühen 19. Jahrhundert oft sogenannte „Zauberflötenmessen“ auf, also Messkompositionen die nach bekannten Opern zusammengestellt wurden. Selbst Komponisten bekannter Opern verwendeten daraus musikalische Themen um eine Messe zu komponieren, wie es z.B. bei Carl Maria von Weber und seiner Freischützmesse der Fall war.

Etienne Nikolas Méhul (1763-1817) komponierte seine Oper Joseph im Jahre 1807, die Premiere fand am 17. Februar 1807 in der Komischen Oper von Paris statt. Es handelt sich um ein Meisterwerk, welches mehrere Jahrzehnte auf den meisten europäischen Bühnen aufgeführt wurde. Wie Franz Hybl zu dem Aufführungsmaterial kam, ist unbekannt. Vermutlich wurde diese Oper um 1820 auch im alten Arader Theater aufgeführt. Mit der Zeit geriet aber diese ehemals erfolgreiche Oper in Vergessenheit. Erst zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurde sie als Oratorium und somit konzertant aufgeführt. Dem Arader Kapellmeister Franz Hybl gelang es aber die Musik dieser Oper durch seine geschickte Umarbeitung für den sakralen Raum zu retten.

Der Aufbau der Messe ist wie folgt: aus der Ouvertüre entstand das Kyrie; der Beginn des Gloria ist der Arie Josephs So kommt und folgt mir beide (Finale, II. Akt) entnommen; das Qui tollis peccata mundi ist die Übertragung der Romanze des Benjamin im II. Akt, Ach, mußte der Tod ihn uns nehmen; das Quoniam tu solus sanctus entnahm Hybl dem Finale des II. Aktes Groß und hehr sind die Siege; das Credo beginnt mit der Musik des Ensembles im III. Akt Stets vermeide sie, diese Brut; das Et incarnatus est entspricht dem Duett Jakob-Benjamin aus dem III. Akt; das Sanctus enthält Motive aus der Ouvertüre; das Benedictus entspricht der Romanze Josephs aus dem I. Akt Ich war Jüngling noch an Jahren; das Agnus ist ein Bass-Solo, entnommen der Arie Jakobs Gott Abraham erhört meine Bitte; das Dona nobis ist identisch mit dem Schluss des Kyrie.

Dass diese Messe ein Jahr davor, 1833, auch in der Minoritenkirche zu Lugosch aufgeführt wurde, ist dadurch zu erklären, dass auch andere Musikalien von den Arader Minoriten in Lugosch vorzufinden sind. Beide Ordenskirchen der Minoriten, sowohl jene in Arad wie auch jene in Lugosch, gehörten zur gleichen Ordensprovinz. Die Mönche einer bestimmten Ordensprovinz halfen sich gegenseitig durch musikalische Aufführungsmaterialien aus. Die Lugoscher Abschrift trägt den Titel: Missa Solemnis aus der Oper Joseph und seine Brüder von Méhul, welche auf den 100jährigen Jubiläums Tag 1833 den 14. Juni zu Lugos aufgeführt, und von Hoch-Verehrten Pater Valerian Ratvay, Quardian zu Lugos im ewigen Andenken beigeschafft wurde. Also wurde dieses Werk auch zum 100-jährigen Jubiläum der Lugoscher Minoritenkirche 1833 aufgeführt. Auf der Titelseite finden wir Unterschriften von Musikern die bei dieser Aufführung mitwirkten, darunter Namen Arader Bürger: „Höchinger“, „geschrieben von Franz Sponar, Tenorist zu Arad“, „Franciscus Svoboda“, „G. Vogl“, „Franz Walter“.

Vor einigen Jahren konnte in der Musiksammlung der Dombibliothek zu Wesprim / Veszprém (Ungarn) eine weitere Abschrift dieser Messe entdeckt werden, gewidmet diesmal dem neu ernannten Bischof der Diözese Wesprim: SOLLENNI MISSA / ex Mehuli opera Josephus et sui Fratres elaborata et / Reverendissimus Domino / Ioanni Küley / Praeposito S. Ladislai in Comitatu / Simighiensi C. E. W. Custoda et Canonico / Excellentissimi Illustrissimi etc. Reverendissimi / Domini Episcopi Weszpremiensis / in spiritualibus Vicario, et / Causarum Auditori Generali, plurium II / Comitatum Tabulae Judicariae Assesori. / Deputationis item Orphanalis in / Comitatu Weszpremiensi Praesidi, et artium ingenuarum / Fautori ac Maecenati gratiossimo / demisse dedicata per / Franciscum Hybl.

Außerdem besitzt diese Sammlung auch ein weiteres Werk von Franz Hybl: Offertorium aut Cantate, ex e minor: Magnificat Dominum, datiert „die 4a oct. 1830 pro Instalatione D. Rdissimus Joanne Külley, Praep. Maj.“

Das wichtige politische und kulturelle Arader Ereignis vor 170 Jahren blieb bis heute nicht unberücksichtigt: die neugewählten Stadtväter Arads wählten im Jahre 2006 den 22. August, den Tag der Ernennung ihrer Stadt zur königlichen Freistadt, zum Festtag ihrer Metropole an der Marosch. Am 13. Juni 2007 konnte dieses herrliche Musikwerk in der Arader Minoritenkirche nach 173 Jahren wieder erklingen, aufgeführt von dem Chor und Orchester des Musiklyzeums unter der Leitung von Franz Metz. Diese Messe erschien im Musikverlag EDITION MUSIK SÜDOST.

 

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007

 

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