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EDITION MUSIK SÜDOST

MOZART UND DAS BANAT

von Dr. Franz Metz

 

I. Die Musikkultur des Banats im 18. Jahrhundert

Kein Anderer konnte den Geist Mozarts in der sich im Aufwind befindlichen Banater Musikkultur des 18. Jahrhunderts so genau beschreiben, wie Franz Liebhard 1977 in seinem Band Temeswarer Abendgespräch. Obzwar es sich dabei nur um eine erfundene Geschichte handelt (Mozart in Temeswar), kann man sich die Beziehungen zwischen Wien und dem Klein-Wien, wie Temeswar damals genannt wurde, gut vorstellen. Bereits Desiderius Braun hat sich um 1929 in seinem ungarischen Buch Banater Rhapsodie Mozart gewidmet und über die ersten Aufführung seiner Opern in Temeswar berichtet, ein Thema, das um 1970 Josef Brandeisz und Erwin Lessl in ihrem Buch zum Temeswarer Musikleben aufgegriffen hatten. Wegen den schwierigen Forschungsmöglichkeiten im kommunistischen Rumänien und mangels primärer Quellen konnte erst nach 1990 ein tieferer Einblick in die Beziehungen zwischen Mozarts Umfeld und dem damaligen „gottgesegneten Banate“ (Zitat von Wilhelm Kienzl 1886) nommen werden.

Die künstlerischen und speziell musikalischen Beziehungen des Banats zu Wien kommen besonders durch ein publizistisches Werk zum Vorschein, das von einem Zeitgenossen Mozarts in Temeswar entstanden ist. Mattheus Josephus Heimerl (*1732 Wien, +1784 Temeswar), „k. k. privil. Bannatischer Administrations Buchdrucker“ schilderte 1772 in seinem Blatt Der Temeswarer Bürger den Aufschwung der Stadt, die noch vor wenigen Jahrzehnten zum osmanischen Reich gehörte. Ein Jahr zuvor, 1771, gab er die erste Nummer der deutschsprachigen Zeitung Temeswarer Nachrichten heraus. Heimerl eröffnete 1769 in der Temeswarer Fabrikstadt eine Buchdruckerei in der alle amtlichen Drucke der nächsten zwölf Jahren entstanden sind. Nach den ersten Jahren des Wiederaufbaus der Temeswarer Festung konnte man sich endlich auch der Kultur widmen. Bauleute, Ingenieure, Wissenschaftler und zahlreiche Beamte wurden von Wien aus in das neue Kronland geschickt um den wirtschaftlichen Fortschritt zu sichern. Damit stieg gleichzeitig die Nachfrage nach Kunst und Kultur: immer mehr Musiker, Sängerinnen und Sänger, Schauspielgesellschaften und Kapellmeister trachteten danach, sich im Banat eine gesicherte Existenz aufzubauen. Heimerl widmete diesen Pionierleistungen in seiner neuen Heimat das erste Kapitel seines Blattes Der Temeswarer Bürger und wirbt damit für einen dauerhaften kulturellen Aufschwung: „Temeswar ist seit einigen Jahren aus einem ziemlich wüsten, unfreundlichen Orte zu einem angenehmen Wohnsitze der gesitteten Lebensart, der Höflichkeit, des artigen Umgangs, und des feineren Geschmacks, ja sogar zu einem kleinen Aufenthalt der Musen selbst geworden… Unter allen den ausnehmenden Wohlthaten, die wir von unseren mildreichesten Landes-Regenten genüssen, ist wohl nicht eine der letzten die Veranstaltung einer eigenen Buchdruckerrey. Welch ein entzückendes Vergnügen für mich eifrig gesinnten Temeswarer Bürger! Schon sehe ich durch dieselbe Staats- und Kriegsmänner, Philosophen, Dichter, und von aller Gattung Gelehrte aus der Verborgenheit hervorkommen, der Welt zum Nutzen sich zeigen...“

In den folgenden Briefen, gewidmet „dem schönen Geschlechte von Temeswar“, läßt der Herausgeber die Autoren selbst zu Wort kommen. Es wird über Wien berichtet, über das Banat, man philosophiert über das Schauspiel, über Kunst und Kultur. So schrieb der Autor des achten Briefes an seinen Bruder in Wien: „Mein Entschluß ist gefallen! Ich reise vielleicht sobald noch nicht von hier; denn ich muß dir sagen: daß mir Temeswar von Tag zu Tage besser gefällt. So klein der Ort ist, so angenehm läßt sichs hier doch leben. In der That man unterhält sich recht gut hier...“ An einer anderen Stelle berichtet man über die Einstellung jener Zeit (1771) zur Musik: „Die Musick – ist besonders für das Frauenzimmer eine der schönsten Unterhaltungen, und für den Staat weit wichtiger als es scheinet. Sie trägt sehr vieles bey, die rauhe, wilde Gemüthsart feiner Geschlechter, zärtlicher zu machen, und man hat sich von je her fast in allen Staaten dieses mittels zu dieser heimlichen Absicht bedienet… Jedoch bringt sie nicht bey allen Menschen die nämliche Würkung hervor. Einige werden bey Anhörung derselben sanft, melancholisch, tiefsinnig, gerührt: andere hingegen lustig, muthig, ausschweifend… Diese Art sich zu unterhalten können sie also sicher wählen Julie, denn sie uns jedem gefallen, der nur Frühling hat: aber sie verträgt sich schwerlich mit der unruhigen Lebensart, und ist also nicht daß Eigenthum der Stadt sondern gehört vielmehr aufs Land, allwo das Herz dem angenehmen Empfindungen, und zartem Gefühle mehr offen ist: daher auch die Dichter nicht den Staatsmann, sondern den Schäfer in der Musick sich üben, und erlustigen lassen (...)“

In einem Subskriptionsverzeichnis vom 20. März 1784, das Wolfgang Amadeus Mozart seinem Vater zugeschickt hat, kommen einige Namen vor, die einen Bezug zum damaligen Ungarn hatten, also auch zum Banat und die in vielen Ansiedlungsdokumenten vorkommen. Die meisten dieser Personen waren Mitglieder des Ungarisch-Siebenbürgischen Hofrats, so Joseph Izdenczy-Monostor, Joseph Franz Fürst Palffy, Georg Graf Bánffy, Freiherr von Losoncz, Joseph Graf Keglevich von Buzin, Joseph Beöthy von Bessenyö, Stephan Graf Zichy, Franz Graf Esterházy von Galántha und Maria Anna Hortensia Gräfin von Hatzfeld, Frau des Clemens August Johann Nepomuk Grafen von Hatzfeld.

Ein weiterer Zeitgenosse und Bekannter Mozarts in Salzburg war der Bendiktinerpater Beda Hübner. Er kam 1740 in Temeswar zur Welt, sein Vater war Militärbeamter, die Mutter eine Schwester des Abtes Beda Seeauer der Beneditkinerabtei St. Peter in Salzburg. Durch den frühen Tod seiner Eltern verbrachte Beda Hübner den größten Teil seiner Kindheit in Österreich. Nach seiner Konvertierung zum Katholizismus wurde er durch seinen Onkel, Abt Seeauer, in das Kloster St. Peter aufgenommen, wo er auch die Profeß abgelegt und 1763 die Priesterweihe empfangen hat. Nach einer reichen Tätigkeit, nicht nur als Priester und Benediktiner, sondern auch als Bibliothekar, Wissenschaftler und Hochschulprofessor, starb er 1811 in Salzburg. Als gebürtiger Temeswarer, hatte P. Beda Hübner in seiner zweiten Heimat Salzburg die Möglichkeit, die doch so unterschiedlichen Welten kennzulernen und dabei die wichtigsten Stationen in den Biographien Mozarts und Michael Haydns zu verfolgen und schriftlich für die Nachwelt festzuhalten. In seinem Tagebuch (Diarium) finden wir viele Eintragungen über diese beiden Musiker.

Bekanntlich hatte Michael Haydn bereits 1754 seine ersten Kontakte zu Ungarn und dem damaligen Temeswar, als er für die Temeswarer Domweihe eine festliche Messe (Missa Solemnis), die Trinitatismesse, geschrieben hat. In der Zeit 1760-1762 wirkte er als Domkapellmeister in Großwardein. Nachdem er sich 1763 in Salzburg niederließ, wirkte er gemeinsam mit Mozart in der Hofkapelle des Salzburger Erzbischofs als Konzertmeister, Leopold Mozart (Mozarts Vater) war der Vicekapellmeister. Es ist also anzunehmen, dass Mozart, ob früher oder später, auch Informationen über Temeswar und Großwardein zu Gehör kamen, wo sein älterer Kollege Michael Haydn ja zahlreiche seiner Werke komponiert hat. Mozart selbst schätzte die Werke Michael Haydns sehr, schrieb viele eigenhändig ab und wird später öfter seinen Vater bitten, ihm einige dessen neueren Kompositionen nach Wien zu schicken.

Zum Freundeskreis der Familie Mozart gehörte in Salzburg auch Maria Theresia von Paradies (1759-1824), eine blinde Pianistin und Sängerin. Ihr Vater war der 1755 in Temeswar tätige Kriminalassessor Joseph Anton von Paradies (1739-1808). Maria Theresia von Paradies erblindete im 3. Lebensjahr plötzlich und wird trotzdem eine ausgezeichnete Pianistin und Sängerin. Mit 11 Jahren sang sie bereits Pergolesis Stabat mater in der Wiener Augustinerkirche. Im Jahre 1783 unternahm sie in Begleitung ihrer Mutter eine Konzertreise durch halb Europa und kam so auch nach Ungarn, wo sie in Temeswar einige Auftritte hatte. Im Jahre 1784 widmete ihr Mozart ein Klavierkonzert (vermutlich jenes in B-Dur, KV 456).

 

II. Als die Krönungsmesse Mozarts in Lugosch und Orawitza erstaufgeführt wurde

 

Bereits zur Zeit Mozarts wurden dessen kirchenmusikalische Werke in Banater Kirchen aufgeführt. Gefördert wurde diese Musik besonders von den verschiedenen Ordensleuten wie z.B. von den Minoriten der Lugoscher Klosterkirche und in Orawitza. Viele zeitgenössische Abschriften aus den Jahren 1785-1795 tragen auf der Titelseite den Vermerk „Del Sigr. Wolfgango Mozarto“ und stammen aus dem böhmischen Raum oder aus Wien. Diese Handschriften wurden damals von Kopisten verfertigt und verbreiteten sich in einem rasenden Tempo in ganz Mitteleuropa. Da das Musikarchiv des Temeswarer Doms aus dem 18. Jahrundert verloren ging, können wir solche Messen nur für Lugosch und Orawitz vorweisen. Es handelt sich aber um Meisterwerke Mozarts, so die bekannten Krönungsmesse, die an hohen kirchlichen Festen Ende des 18. Jahrhunderts in der Lugoscher Minoritenkirche und in der Orawitzaer Pfarrkirche mehrmals aufgeführt wurde. Unter der Leitung des damaligen Regenschori (der Kantor, der den Chor und das Orchester von der Orgel aus leitete) nahmen an solchen Aufführungen nicht nur Musiker sondern auch Mitglieder des Minoritenordens teil, die meist eine solide kirchenmusikalische Ausbildung besaßen. Anhand der Eintragungen in den verschiedenen Chorstimmen kann man feststellen, dass die Sopran- und Altpartien von Knabenstimmen gesungen wurden. In den Rechnungen des Temeswarer Domkapitels werden diese Stimmen als „Knabengurgeln“ bezeichnet. Die Solostellen wurden auch von Frauenstimmen ausgeführt.

Von den Reformen Kaiser Josefs II. blieb selbst die Kirchenmusik nicht verschont. Er verlangte, dass in allen Pfarrkirchen seines Reiches nur mehr deutsche Messlieder gesungen werden dürfen, Violinen, Trompeten und Pauken waren strengstens Verboten. Selbst die Anzahl der Kerzen auf den Altären wurde festgeschrieben und die Fronleichnamsprozessionen durften nur noch ohne jeden Pomp vollzogen werden. Wegen vielen Protesten aus den Reihen der Gläubigen und Priestern mussten aber die Bischöfe nach kurzer Zeit diese Verordnungen zurückziehen. Kathedral- und Klosterkirchen waren von diesen Reformen jedenfalls ausgeschlossen. So konnten die kurzen aber festlichen Messen Mozarts (Missa brevis) auch weiterhin in vielen Banater Kirchen „zur höheren Ehre Gottes und zur Freude der Gläubigen“ erklingen. Man muss sich vorstellen, dass für die Aufführung dieser Musikwerke das ganze Instrumentarium vor Ort vorhanden war: Oboen, Hörner, Trompeten, Posaunen, Pauken, Violinen, Bratschen, Violoncello, Kontrabass, Fagott und Orgel. Dies belegen u.a. die Listen der Ausgaben der Lugoscher Minoriten aus der Zeit um 1785, als fast monatlich einem Instrumentenmacher aus Rekasch für die Reparatur der Pauken, Streich- und Blasinstrumente ein bestimmter Betrag ausgehändigt wurde. Auch die Belege für den Ankauf von Musikalien beweist ein reges Interesse für die Kirchenmusik.

Erst in den letzten Jahren seines Lebens schrieb Mozart seine drei Kompositionen für das automatisch spielende Orgelwerk. Dies verdanken wir dem Grafen Joseph Deym von Stritetz, dessen Namen in die Mozart- und Beethovenbiographie eingegangen ist. Nach einem mißlungenen Duell nahm er den Namen Müller an, unter welchem Namen er in Wien sein Müllersches Kunstcabinet auf dem Stock-im-Eisen-Platz in unmittelbarer Nähe des Stephansdoms eröffnet hat. Er präsentierte darin eine Sammlung von Plastiken in Bronze und Elfenbein, Gipskopien berühmter antiker Statuen wie auch lebensgroße Wachsfiguren bedeutender Persönlichkeiten: Kaiser Leopold II., Franz II, die Fürsten Lobkowitz und Esterhazy u.a. Neben anderen Stücken enthielt die Ausstellung auch Spieluhren, Automaten und verschiedene andere Kuriositäten.

Als Feldmarschall Laudon (Sieger der Schlacht von Belgrad 1789) am 14. Juli 1790 starb, entschloss Deym zu dessen Ehren eine Gedächtnisstätte in Form eines Mausoleums einzurichten. In der Himmelpfortgasse, unweit der letzten Wohnung Mozarts, wird er in einer solchen Stätte die lebensgroße aus Wachs geformte Figur des populären Feldherren ausstellen. Um die Atmosphäre noch zu vertiefen, bestellte Deym bei Mozart eine entsprechende Trauermusik für den Musikautomaten, die von Zeit zu Zeit dem Publikum vorgeführt werden sollte. In der Wiener Zeitung vom 26. März 1791 wird diese Kunstsammlung wie auch das zu Ehren des Feldmarschalls Freiherrn v. Laudon errichtete Mausoleum vorgestellt, wobei man ausdrücklich die Musik Mozarts erwähnt: „... mit Schlag jeder Stunde lässt sich eine Trauer Musique hören, und wird alle Woche eine andere seyn. Diese Woche ist die Composition von Hrn. Kapellmeister Mozart.“ Es handelt sich dabei vermutlich um die Phantasie f-Moll, KV 594. Dieses Werk wurde insbesondere durch mehrere vierhändige Klavierfassungen bekannt und wurde auch für Streichquartett bearbeitet. Das Schicksal wollte es, dass nur einige Monate später Graf Deym, für den Mozart seine Flötenuhrstücke komponiert hat, an dessen Totenbett stand, um einen Gipsabdruck vom Antlitz des Verstorbenen abzunehmen. Das Infanterieregiment Nr. 29 der Temeswarer Festung wurde nach dem Feldmarschall Laudon benannt. Dieses Regiment hatte eine eigene Musikkapelle, die von Kapellmeister Wenzel Josef Heller geleitet wurde, ein eifriger Komponist und Dirigent, der auch symphonische Konzerte geleitet hat.

Der Namen des Grafen Deym von Stritetz ist nicht nur in der Mozartbiographie verewigt, sondern auch mit der Banater Geschichte eng verbunden. So kam am 21. Juni 1837 Ferdinand Graf Deym von Stritetz im Banat zur Welt, dessen Vater war Major und k. k. Kämmerer Franz Graf Deym von Stritetz, die Mutter Gabriele Gräfin von Schaffgotsche. Ab 1885 war Ferdinand Graf Deym von Stritetz Abgeordneter der gemäßigt-konservativen Parteirichtung im Wiener Reichstag. Er starb am 9. Februar 1900 in Wien.

 

 

III. Die Ländler des „Herrn Mozart“ in der Lugoscher Klavierschule.

Banater Spenden für Salzburg

Die älteste bisher bekannte Klavierschule des Banats stammt aus dem Jahre 1760. Es handelt sich dabei um ein Manuskript, das ab 1760 verfasst und in den folgenden Jahren bis 1789 ergänzt wurde. Vermutlich ist dies auch die älteste Klavierschule im gesamten südosteuropäischen Raum. Der vollständige Titel lautet: Anleitung zum Klawier Spielen (...) Lugos 1760. Pro aeterna Memoria donos oblatus P. Rudolpho Studer a sincero quodam Amico Anno R. S. 1789. Dem zufolge wurde dieses Werk in Erinnerung an den Lugoscher Minoritenpater Rudolph Studer verfasst, der vermutlich auch ein guter Musiker war.

Die Musik war schon immer ein wichtiger Teil des Tagesablaufs im Lugoscher Kloster und die meisten der Ordensmitglieder hatten eine gediegene musikalische Ausbildung absolviert. Diese Klavierschule enthält die wichtigsten Schritte für einen Anfänger (Tonleiter mit den damals üblichen Fingersätze, Arpeggien, Akkorde), leichtere kleinere Vortragsstücke wie auch die wichtigsten Regeln, wie ein Klavier zu stimmen ist. Unter den Stücken befinden sich auch die VI Ländler Del Sigre. W. A. Mozart. Diese wurden um 1785 handschriftlich aufgezeichnet, also noch zu Lebzeit des Komponisten. Es war noch die frühe Zeit des Klavierspiels, das heutige Klavier mit dem modernen Mechanismus war noch nicht erfunden. Unter „Klavier“ bezeichnete man damals allgemein jedes Saiteninstrument mit einer Klaviatur, vermutlich hatte man im Kloster ein Cembalo oder ein Spinet zur Verfügung. Für die Lugoscher Minoriten war Mozart damals kein Unbekannter, seine kirchenmusikalischen Werke wurden auch in anderen Ordenskirchen Wiens und auch Ungarns aufgeführt.

Das 19. Jahrhundert war dem Mozartwerk gegenüber nicht gerade wohlgesinnt. Obzwar man seine Opern, Symphonien, Kirchenmusik- oder Klammermusikwerke aufgeführt hat, wünschte man sich eher romantische – also zeitgenössische – Musik zu hören. Anfang Dezember 1856 wurde auf Limmers Vorschlag Mozarts Die Zauberflöte aufgeführt. Obwohl Chor und Orchester mit viel Eifer ans Werk gegangen waren und Limmer die Oper mit viel Umsicht geleitet hatte, wurde ein schwacher Besuch verzeichnet. Ironisch bemerkte dazu der Rezensent: „Sieht er denn nicht ein, daß Mozart mit seiner kindlich einfachen Musik den Anforderungen der Gegenwart nicht mehr genüge? Wer sollte auch bei der Liebesklage einer Sopranistin gerührt sein, wenn solche nicht wenigstens von Bass-Bombarden begleitet wird. Wer glaubt heute an eine Rache-Arie ohne obligate große Trommel und Cinellen“. Trotzdem schätzte man Mozart auch am Rande der Doppelmonarchie sehr. Und noch mehr. Man war sogar bereit, dafür Geld zu spenden. So hat des Arader Konservatorium (gegründet 1833) im Jahre 1837 dem Salzburger Museumsverein für die Errichtung des Mozartdenkmals 40 Gulden gespendet. Die Enthüllung des Denkmals fand 1842 statt und aus Arad wurden, trotz des teuren und langen Weges, drei würdige Vertreter zu dieser Festlichkeit nach Salzburg entsendet.

Einige Jahre später, 1872, erhielt der Temeswarer Philharmonische Verein ein interessantes Schreiben vom Sekretariat des Werschetzer Männergesangvereins. Dieser vermittelte eine Bitte aus Salzburg, um der Großnichte „unseres unsterblichen geist- und gemüthvollsten Tondichters Mozart“ in deren schweren materiellen Situation durch eine Spende zu helfen. Dabei sei das Wort „unseres“ zu betonen – die Mitglieder des Temeswarer Vereins waren alle Bürger Österreich-Ungarns, also auch Landsleute Mozarts.

Aufruf an den Wohlthätigkeitssinn edler Kunstfreunde.

Zu Salzburg lebt, in überaus dürftigen Verhältnissen, die ihre kümmerliche Existenz zu einem fortwährenden Darben machen, eine bejahrte Frauensperson Namens Josefa Lange. Sie ist die Großnichte unseres unsterblichen geist- und gemüthvollsten Tondichters Joh. Chrys. Wolfg. Amadeus Mozart geb. zu Salzburg 24. Jänner 1756, gest. 5. Dezemb. 1791 und die Enkelin seines Schwagers, einer seiner Zeit vielgefeierter Mimen, der k.k. Hofschauspieler Josef Lange, sohin die nahe Blutsverwandte zweier überaus würdiger Menschen, die der Kunst stets zur Ehre und Zierde gereichen werden.

Es ergeht demnach an alle »Menschenfreunde« das inständigeste Ansuchen, der armen genanten Frauensperson durch milde Spenden hülfreich beizutragen, indem wir ja damit das Andenken so großer und verdienstvoller Manen ehren, wenn wir durch ein kleines und aber weihevolles Opfer ihre Nachkommen nicht zu Grunde gehen lassen.

Der gefertigte Sekretär des Werschetzer Männer-Gesang-Vereines übernimmt jede auch noch so geringe Gabe dankbarst in Empfang und übermittelt die Beträge an den nicht politischen Verein »Humanitas« in Wien, worüber die Ziffermäßige Abrechnung durch die Bücher des Werschetzer Männer Gesang Vereines gepflogen, und seiner Zeit, in genügender Weise bekannt gemacht werden wird.

In der angenehmen Erwartung, daß dieser Appel an wohlthätig gesinnte Herzen nicht unerhört verhallen wird, zeichnet sich mit aller Ergebenheit (...) Secretär des Werschetzer Männer Gesang Vereins.“

Laut Protokoll hat der Ausschuss des Temeswarer Philharmonischen Vereins 13 Gulden zu diesem Zweck überwiesen, also eine beachtliche Summe für einen Verein.

 

 

IV. Der Banater Mozartbrief

Fast ein Jahrhundert lang wurde in Orawitza ein Brief von Wolfgang Amadeus Mozart aufbewahrt. Gelegentlich wurde in einigen rumänischen und deutschen Banater Zeitungen von Virgil Birou und Prof. Tibor Lichtfuss darüber berichtet. Auch die Datierung des Briefes müsste noch festgestellt werden.

Den letzten Berichten zufolge, soll sich dieses handschriftliche Dokument heute im Besitz des Rumänischen Staatsarchivs (Bukarest) befinden, was aber bisher nicht bestätigt werden konnte. Bis dahin war der Besitzer des Mozart-Briefes ein rumänischer Orawitzaer Bürger, der diesen von seiner Mutter geerbt hat. Diese bekam den Brief von der ehemaligen Opernsängerin Mathilde Chudi (geb. Peitl) geschenkt. Mathilde Chudi kam im Jahre 1849 in Pisek (Böhmen) zur Welt. Später war sie als Opernsängerin in Budapest tätig, bevor sie als Klavier- und Gesangslehrerin für ihre Existenz selbst sorgen musste. Der Schwager von Mathilde Chudi ließ sich als Leiter einer Theatergruppe in Orawitza nieder, wo er einige Male im alten Theater auftrat. Als dieser von der schweren Lage seiner Schwägerin erfuhr, rief er sie ebenfalls nach Orawitza und stellte ihr in Aussicht, dass sie in diesem kunstliebenden kleinen Banater Berglandstädtchen mit Klavier- und Gesangsunterricht besser verdienen könnte. Mathilde Chudi kam dieser Aufforderung nach, war aber, als sie nach Orawitza kam, bereits an einer Herzwassersucht erkrankt. Der Kontakt mit ihrer ebenfalls in dieser Stadt lebenden Schwester hat sie unterbrochen und lebte in größten finanziellen Schwierigkeiten. Sechs Monate nach ihrer Ankunft in Orawitza starb Mathilde Chudi am 31. Mai 1905 im Alter von 56 Jahren. Vor ihrem Tode schenkte sie ihrer Wohltäterin, der Mutter von Frau Talescu, den Mozartbrief. Ihren Angaben nach, bekam sie diesen Brief von einem ihrer Verehrer, dessen Namen aber nicht genannt wurde.

Um das Jahr 1923 wurde der Brief in Salzburg begutachtet und als Mozart-Original erkannt. In der Gesamtausgabe der Mozart-Briefe und Aufzeichnungen der Internationalen Stiftung Mozarteum wird der Brief im ganzen Wortlaut als bekannt wiedergeben. Der Text des Mozartbriefes ist folgender:

 

Liebster Freund!

Ich bin so frey Sie ohne alle Umstände um eine Gefälligkeit zu bitten: könnten oder wollten Sie mir bis 20 t des künftigen Monaths 100 fl: leichen, würden Sie mich sehr verbinden; - 20 t fällt mir das Quartal meiner Gage zu, wo ich dann meine Schulden mit Dank zurückerstatten werde.

Ich habe auf 100 Dukaten (die ich vom Ausland zu erhalten habe) mich sehr verlassen; da ich sie aber bis zur Stunde noch nicht erhalten - sondern täglich erwarte; habe ich mich zu sehr vom Geld entblöst, so dass ich augenblicklich Geld beinöte habe, und deswegen mein Vertrauen zu Ihnen genommen, weil ich Ihrer Freundschaft gänzlich überzeugt bin; Nun werden wir uns bald mit einem schöneren Namen nennen können! Ihre Sache ist dem Ende sehr nahe!

A Monsieur

Monsieur de Hofdeml

Mozart

 

Der Brief stammt vermutlich aus den letzten Märztagen des Jahres 1789, das Geld benötigte Mozart zur Finanzierung seiner Konzertreise nach Norddeutschland. Es war die letzte große Reise des Komponisten, die er im Frühjahr 1789 angetreten hat. Der Anlass dazu ging von dem Fürsten Carl Lichnowsky aus, dem Gemahl der Gräfin Thun, einem eifrigen Förderer und Schüler Mozarts. Dessen Güter in Schlesien sowie seine Stellung in der preußischen Armee legten ihm die Verpflichtung auf, sich von Zeit zu Zeit in Berlin aufzuhalten; als er im Frühjahr 1789 eine Reise dahin unternahm, bot er Mozart an, ihn in seinem Wagen mitzunehmen.

Der Brief steht in direkter Verbindung mit dem nächsten Schreiben Mozarts an Hofdeml in Wien vom 2. April 1789, in welchem er den Wechsel von 100. fl. bekannt gibt, unterschrieben mit „Wolfgang Amadé Mozart / kapellmeister in wirklichen k.k. Diensten“.

Mit dem Satz „Nun werden wir uns bald mit einem schöneren Namen nennen können...“ will Mozart auf die zukünftige Mitgliedschaft Hofdemls zur Freimaurerloge anspielen, dessen Aufnahmeprozedur im Gange war. Nach dem Tode Mozarts glaubte Hofdeml, einem Gerüchte zufolge, dass dieser ihn mit seiner Frau betrogen hätte. So kam es noch im Jahre 1791 im Hause des Kanzlisten Hofdeml zu einer Eifersuchtstragödie: Hofdeml verwundet seine Frau schwer und beging danach Selbstmord. Manche Musikhistoriker behaupten, daß Beethoven sich lange Zeit weigerte, vor Frau Hofdeml zu spielen, weil sie „die Geschichte mit Mozart gehabt habe“. Welche Rolle der Orawitzaer Mozartbrief dabei gespielt haben könnte, müsste noch geklärt werden.

 

V. Mozarts Opern in Temeswar und Arad

Aus dem Gothaer Theaterkalender 1792 erfahren wir, welche Theater- und Opernvorstellungen die Theatergesellschaft unter der Leitung von Johann Christian Kunz (Direktor 1789-1794) im Sommer in Hermannstadt und „im Winter in Temeschwar im Banat“ gab. Zu den 21 Singspielen zählte auch Mozarts Die Entführung aus dem Serail, ein Singspiel, das 1782 in Wien uraufgeführt wurde. Der Nachfolger von Kunz, Direktor Franz Xaver Rünner, inszenierte im Herbst 1796 anlässlich der Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Befreiung der Festung Temeswar von der türkischen Besetzung, Mozarts Zauberflöte. Die Darsteller waren vermutlich die gleichen, die 1798 diese Oper in Hermannstadt zur Aufführung brachten: Josef Heldenmuth (Sarastro), Nanett Weissberger (Königin der Nacht), Madeleine Rünner-Schmidt (Pamina), Herr Müller (Tamino). Die Begeisterung des Temeswarer Publikums war so groß, dass die Oper mehrmals wiederholt werden musste, wofür der Magistrat ausnahmsweise erhöhte Eintrittspreise erlaubte. Vermutlich wurde die gleiche Oper im Monat Mai 1796 auch im südbanater Berglandstädtchen Orawitza aufgeführt.

Die Konkurrenz zwischen den beiden Städten Temeswar und Arad war auch in den musikalischen Aktivitäten ausschlaggebend für eine baldige Entwicklung auf diesem Gebiet. Ein Zeitgenosse berichtete über die Musikkultur der Stadt Arad, dass mit dem Ende des 18. Jahrhunderts der Einfluss der Kirchenmusik entwich, in der Stadt sich die Pforten der Klöster schlossen und die Türen der Opernlogen weit öffneten: „(...) Der Wille einzelner beseelter Männer der Stadt Arad, die Musikkultur jedem einzelnen Bürger zugänglich zu machen, führte schließlich zu sozialen und kulturellen Reformen. Die gleichen Männer, die das Konservatorium schufen, gründeten auch das Waisenhaus, Spitäler, Säuglings- und Altenheim wie auch den Schützenverein. Die Tätigkeit der guten alten Tafelrichter fällt mit dieser Entwicklung und der kulturellen Erneuerung zusammen. (...)“ Der Stadtrat Johann Nepomuk Sergel sorgte viele Jahre für das Gedeihen des Konservatoriums und es bestand dadurch eine direkte Verbindung zum Obergespan. Mit der Gründung des Arader Musikkonservatoriums (1833) ließ man sich auch neue Musikaktivitäten einfallen, indem man für die Adventszeit eine ganze Konzertfolge geplant hat. Auch für die Banater Kirchenmusik waren diese Adventskonzerte ein Novum: Schüler musizierten gemeinsam mit ihren Lehrern und sorgten für einen guten Ruf des Konservatoriums. In einem dieser Adventskonzerte des Jahres 1835 führte man u.a. die Ouvertüre zu Mozarts Oper Titus der Gütige auf. In ihrer außerschulischen Tätigkeit waren die Lehrkräfte wie auch viele Schüler des Konservatoriums meist im Arader Theater beschäftigt. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts wurden in Arad bedeutende Opernaufführungen gegeben und das Orchester bestand hauptsächlich aus lokalen Musikern. Die Vielsprachigkeit der Bevölkerung zog es nach sich, dass die Opernvorstellungen besser besucht waren als Schauspiele.

Die Historia Domus des Arader Minoritenordens erwähnt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mehrere Theateraufführungen in dem Festsaal des Gasthauses Zu den drei Königen oder im Hause Milici, welche meist von wandernden Ensembles aufgeführt wurden: Philip Berndt (1787), Emanuel Schikaneder (1789), Franz Johann Diwald (1789), Johann Christoph Kunz (1790), Wolfgang Stephany (1794) und Joseph Holtzmann (1796). Das Repertoire dieser Truppen enthielt auch Singspiele. Emanuel Schikaneder schrieb u.a. das Libretto zu Mozarts Zauberflöte. Seine Ehefrau, Maria Magdalena Arth, ebenfalls Schauspielerin, kam 1751 in Hermannstadt zur Welt.

Am 4. Dezember 1798 fand in Arad, auf einer improvisierten Bühne, die erste Opernvorstellung in der damaligen Lerchengasse statt. Dieses Gebäude wurde von der Familie des Geschäftsmanns Jakob Hirschl erbaut. Josef Hirschl fuhr 1812 persönlich nach Wien, um von Kaiser Franz die Erlaubnis einzuholen, das Theater am 4. Mai 1817 eröffnen zu können. Aus einem Antrag an die Stadt geht hervor, dass dieses „Theatrum“ aus eigenen privaten Mitteln erbaut wurde, zum Nutzen der ganzen Stadt. Im Jahre 1817 wurde hier die erste Theatervorstellung mit Aschenbrödl gegeben, das Ensemble wurde von Johann Christoph Kunz geleitet. Für die Erhaltung der Ordnung beantragte Jakob Hirsch von der Stadt einen Ordnungshüter. In diesem Haus fand am 27. Februar 1818 auch schon eine Theatervorstellung in rumänischer Sprache statt. Die ersten Opernvorstellungen im neuen Theater gab es schon in den zwanziger Jahren. Eines der größten Erfolge in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erntete man mit Mozarts Oper Don Juan. Am Abend des 14. März 1833, 19 Uhr, hob sich der Vorhang für diese Oper, die auf den Plakaten mit dem vollständigen Titel angegebn wurde: DON JUAN, / oder / DER STEINERNE GEIST / Große heroisch-komische Oper in 2 Aufzügen, von Mozart. Selbst dem Bühnenbild wurde größte Aufmerksamkeit gewidmet, wie man auf dem Plakat lesen kann: „… Die Decoration des Höllenrauches ist von Herrn Lappo gemalt. Der zum Schluß vorkommende Feuerregen ist von Herrn Koch.“ Interessant auch die restlichen Angaben auf der Ankündigung: „Mozart! - des unerreichbaren, unsterblichen Tonkünstlers Meisterwerk bedarf wohl bei einem für die Tonkunst so empfänglichen Publikums keine besondere Empfehlung, und wir erlauben uns nur zu bemerken, daß wir, um unsere Hochachtung gegen Sie Hochverehrte! an den Tag legen zu können, keine Mühe scheuen dieses Werk zu erlangen, sondern auch weder Fleiß noch Kosten sparten, dasselbe würdig in die Scene zu setzen. (...)“

Bei den langen Proben im halbdunklen, nur mit Kerzen beleuchteten Orchestergraben, wirkten viele Lehrer und Schüler des Konservatoriums mit, darunter Johann Hendl, Samuel Robitsek (1. Violine), Adam Budics (2. Violine), später auch Dr. Wilhelm Mandl uns als Flötist wirkte der spätere Musikdirektor Josef Krispin. Fast täglich fanden im Arader Theater Vorstellungen statt, nacheinander Schauspiel, Drama, Komödie, Oper oder Konzert. In nur zwei Monaten, vom 1. November bis Ende Dezember 1845 wurden zwei neue Opern inszeniert. Für die Zeitspanne Januar-April 1846 nennt uns das Theater Journal 16 Opernaufführungen, u.a. auch Mozarts Die Zauberflöte. Das musikalische Geschehen der Stadt Arad lag damals in den Händen des Bürgermeisters Koloman Institoris. Dieser hatte eine erfolgreiche Karriere als Sänger hinter sich und hatte seinen ersten Auftritt mit 23 Jahren im Budapester Nationaltheater in der Oper Don Pasquale. 1862 trat der bereits bekannte Solist in Hannover, Olmütz und München erfolgreich auf. 1866 kam er in seine Geburtsstadt zurück, wechselte den Beruf und trat in den öffentlichen Dienst ein. Seine wertvolle Musikbibliothek wie auch seinen Flügel übernahm nach seinem Tode testamentarisch das Konservatorium.

 

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007

 

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