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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Banater Konzertsommer 2011

Konzertreise dreier Spätaussiedler im Lisztjahr in die alte Heimat

Für die drei Solisten – Dr. Franz Metz, Orgel/Klavier, Wilfried Michl, Bariton, Herbert Christoph, Viola – war es nicht die erste Konzertreise dieser Art in das Banat. Bereits vor einem Jahr fand der erste Banater Konzertsommer – damals aber in anderen Orten – statt. Wer das sommerliche Banat kennt weiss, dass diese Saure-Gurken-Zeit von vielen Temeswarern, der glühenden Hitze wegen, entweder im Banater Bergland oder anderswo verbracht wird. Und trotzdem, auch im Liszt-Jahr 2011 zog es sie hierher, um in Temeswar, Lugosch, Radna, Großsanktnikolaus, Karansebesch und Reschitza zu konzertieren. Es waren Erlebnisse besonderer Art, Erfahrungen und Begegnungen, die man nicht so schnell vergessen wird.

Auch diesmal standen Werke Banater Komponisten im Vordergrund, die ganz einfach von der rumänischen Geschichtsschreibung – bewusst oder unbewusst – vergessen wurden. Und das mit dem Vergessen ist so eine Sache. Besonders in der heutigen Zeit, in der man in den Schulen Rumäniens nicht die Geschichte des Landes sondern die Geschichte der Rumänen lehrt. Also versuchten wir durch die exotischen Konzertprogramme solche Namen von Banater Komponisten ins Gedächnis zu rufen, die ganz einfach „vergessen“ wurden, wie Konrad Paul Wusching, Wilhelm Schwach, Heinrich Weidt, Fritz Pauck, Josef Wenzel Heller, Gustav Hazslinszky und nicht zuletzt den noch so manchen in Erinnerung gebliebenen Richard Waldemar Oschanitzky.

 

Lugosch bei Nacht

Wilfried Michl, Franz Metz und Herbert Christoph vor der Gedenktafel an den Lugoscher Komponisten Konrad Paul Wusching in der Allgemeienschule

Empfang beim Bürgermeister im Lugoscher Rathaus

In der Gedenkstätte des berühmten Lugoscher Tenors Traian Grosavescu

Wilfried Michl vor dem Bildnis von Traian Grosavescu

Zu Besuch im Dorf Belintz, zu Gast beim Musikwissenschaftler Dr. Constantin Stan...

 

Das erste Konzert fand Dienstag, den 16.08.2011 im alten Lugoscher Theater statt unter dem Titel „Wiener Abend / Seara vieneza“. Im Programm standen außer Lieder, Operettenarien und Instrumentalstücke Wiener Komponisten auch einige Werke Banater Komponisten wie Wilhelm Schwach, Konrad Paul Wusching, Sofie Vlad, Heinrich Weidt wie des Bukarester Kapellmeisters und Geigers Louis Wiest. Dieses Konzert fand im Rahmen des volkstümlichen Stadtfestes statt, das jährlich um den 15. August – dem Tag des Kirchweihfestes der rumänisch-orthodoxen Kirche – gefeiert wird. Sowohl die Wiener Stücke wie auch die Banater Kompositionen wurden vom zahlreichen Publikum mit langem Applaus belohnt. Vor einem Jahr, als ir das selbe Programm im alten Theater in Orawitza gaben, sagte uns ein begeisterter Zuhörer, dass auch heute noch so manche Banater regelmäßig die Opernvorstellungen in Wien besuchen – Wien sei halt leichter zu erreichen als Bukarest.

Am gleichen Vormittag wurden die drei Musiker aus München und Aachen vom Bürgermeister der Stadt Lugosch empfangen. Sowohl die Stadt wie auch der Verein BanatArt aus Temeswar beteiligten sich an der Organisation dieser Veranstaltung. In dem Lugoscher Amtsblatt wie auch im lokalen Blatt Redesteptarea wurden Vorankündigungen und Berichte darüber veröffentlicht. Die drei Lieder des Lugoscher Konrad Paul Wusching erklungen hier zum ersten Mal nach vermutlich 120 Jahren. Ganz zu schweigen von dem Myrthen-Blüten-Walzer Wilhelm Schwach, der einige Jahre als Musiker im Theater an der Wien erbracht hat und so manche Strauss-Operetten unter der Leitung des Komponisten mitaufgeführt hat.

 

... nicht nur Musik, auch Krautfelder hat Belintz,

... eine alte orthodoxe Kirche,

... viele Paprikagärten,

... Pflaumen für den Schnapps,

... Kartoffeln

... und einen bunten Hahn.

 

Das zweite Konzert fand Mittwoch, den 17. August 2011 in der katholischen  Pfarrkirche der Temeswarer Elisabethstadt statt. Im Mittelpunkt stand diesmal ein Werk des Temeswarer Komponisten Richard W. Oschanitzky (1939-1979), das in Uraufführung gebracht wurde: Sieben Gesänge um Wort, Licht und Heil, für das der Komponist auch den Text geschrieben hat. Dieses Kirchenkonzert war sehr gut besucht und man erfuhr, dass so manche Zuhörer gerührt waren von diesem Werk. Der Name des Komponisten war uns in den siebziger Jahren nur als Jazzpianist und Leichtumsikkomponist bekannt geworden. Dass er auch geistliche und kirchliche Musik komponiert hat, die natürlich im damaligen kommunistischen Rumänien nie aufgeführt werden konnte, wusste niemand. Im Programm standen auch einige Orgelwerke wie auch Kompositionen weiterer Banater Komponisten, wie Josef Wenzel Heller und Gustav Hazslinsky. Außerdem wurden anlässlich des 200. Geburtstags Franz Liszts auch Werke dieses Komponisten aufgeführt (Teile aus der Ungarischen Krönungsmesse, Orgelwerke). Die drei Solisten wurden am nächsten Tag vom Generalvikar der Temeswarer Diözese, Johann Dirschl, in Audienz empfangen.

Das dritte Konzert fand Donnerstag, 18. August 2011 im Nako-Schloss von Großsanktnikolaus statt. Diesmal waren sowohl das Bürgermeisteramt wie auch der Verein BanatArt aus Temeswar an der Organisation des Konzertes beteiligt. Im Programm standen weltliche Musikwerke von Franz Schubert, Giuseppe Verdi, Robert Schumann, Robert Stolz, Emmerich Kálmán und von den Banater Komponisten Konrad Paul Wusching, Sofie Vlad, Heinrich Weidt und nicht zu letzt von Béla Bartók, der in diesem Ort 1881 zur Welt gekommen ist. Der historische Festsaal war bis zum letzten PLatz überfüllt und die zahlreichen Zuhörer freuten sich, dass ein solches Konzert in ihrem kleinen Städtchen stattfinden konnte. Am gleichen Tag konnte auch die Krypta der Gutsherrenfamilie Nakó besichtigt werden, die vor kurzer Zeit renoviert wurde und nun auch für Touristen zugänglich ist. Bertha von Nakó war bis Budapest und Wien als eine begabte Pianistin bekannt, die mit ihrer eigenen Zigeunerkapelle in Konzerten aufgetreten ist. Sebst Richard Wagner besuchte sie mal auf ihrem anderen Schloss in der Nähe Wiens und war über ihre musikalische Begabung erstaunt. So berichtet er jedenfalls an Mathilde Wesendonk in einem Brief.

 

Ein altes Bauernhaus in Belintz

Konzertplakat der Tournee

Die Kirche der Elisabethstadt bei Nacht

Die neue Beleuchtung der elisabethstädter Kirche in Temeswar

Katholische Kirche der Elisabethstadt in Temeswar

Die Altäre kommen aus der Werstatt Stuflessers in Südtirol

 

Das vierte Konzert fand Freitag, 19. August 2011 in der Synagoge der Stadt Karansebesch statt. Es war das erste Mal, dass ein solches Konzert in einem solchen Gebäude stattfinden konnte, da die Synagoge von der jüdischen Gemeinde der Stadt Karansebesch für 20 Jahre übergeben wurde. Da die Gemeinde bis auf wenige jüdische Gläubige gesunken ist, benötigt man die Synagoge nicht mehr. Auch in Temeswar hat man die große Synagoge der Innenstadt vor einigen Jahren dem Temeswarer Philharmonischen Verein für Konzerte überlassen. In der Synagoge der alten Garnisonstadt Karansebesch steht eine alte historische Orgel aus der Werkstatt des Banater Orgelbauers Anton Dangl, die noch ohne elektrisches Gebläse gespielt werden muss. Dafür muss ein Calcant (Orgeltreter) die Blasebälge mit der dazu nötigen Luft versorgen. Zum Beginn des Konzertes begrüßte der Direktor des städtischen Kulturhauses die zahlreichen Zuhörer. Die Synagoge, die sich noch in einem guten Zustand befindet, wurde festlich mit Kerzen beleuchtet und davor gründlich gereinigt, da dieser Raum seit vielen Jahren nicht mehr benutzt wurde. Der Musikwissenschaftler Dumitru Jumpan aus dem benachbarten Ort Marga hielt eine kurze Ansprache über den ehemaligen deutschen Bürgermeister dieser Stadt, Fritz Pauck, von dem ein Orgelwerk aufgeführt wurde. Der aus Lugosch stammende Fritz Pauck war in der Zwischenkriegszeit hier als Bürgermeister tätig, gründete den Karansebescher Philharmonischen Verein und komponierte auch kleinere Gelegenheitserke, wie z.B. das Te Deum, das er dem damaligen Temeswarer Bischof Dr. Augustin Pacha gewidmet hat. Das Programm dieses Konzertes wurde dem Ambiente angepasst und es erklangen Werke von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Max Bruch (das jüdische Klagelied Kol Nidrei), Richard W. Oschanitzky, Ludwig van Beethoven, Theodore Dubois, Antonin Dvorak (Biblische Lieder), u.a. Das Konzert wurde vom Fernsehen aufgezeichnet. Die Stadt Karansebesch wie auch der Verein BanatArt beteiligten sich an der Organisierung dieses Konzertes. Danach konnte der Neubau des Kolpingshauses am Rande der Stadt bewundert werden.

Dass es in Karansebesch noch viele andere Sachen zu bewundern gibt, beweist die neue Gestaltung der Innenstadt: keine zwanzig Meter vor der alten katholischen Kirche wurde eine neue orthodoxe Bischofskathedrale erbaut. Diese sollte eigentlich auf den Ruinen eines alten Franziskanerklosters errichtet werden, die noch vor 1989 bei Ausgrabungen entdeckt wurden. Erst nach vielen Protesten der Gläubigen und des damaligen katholischen Pfarrers hat man sich von dieser Idee distanziert. Heute will man einen architektonischen Bogen zwischen den beiden Kirchen errichten – als Zeichen der Ökumene, wie man uns sagte.

 

Empfang im Diözesanzentrum durch Generalvikar Johann Dirschl

Das alte Nako-Kastell in Großsanktnikolaus

Unter der katholischen Kirche befindet sich die Krypta der gräflichen Familie Nako

Eingang in die Krypta

Renovierte Räume des Kastells

In letzter Minute: schwarze Socken für das Konzert in Großsanktnikolaus

 

Das fünfte Konzert des Banater Konzertsommers 2011 fand Samstag, 20. August in der Basilika Maria Radna statt. Diesmal bestand das Programm ausschließlich aus kirchenmusikalischen Werken von Bach, Franz Liszt, Antonin Dvorak, Louis Vierne, Gustav Hazslinski, Ludwig van Beethoven, Josef Wenzel Heller. Das Konzert war auch diesmal – wie bereits im vergangenen Jahr – gut besucht und es reisten viele Besucher aus anderen Orten an. Da die Orgel dieser Kirche sehr wertvoll ist – erbaut von Carl Leopold Wegenstein, Temeswar, 1905 – kann man darauf stilistisch einwandfrei auch Werke von Franz Liszt interpretieren. Das zu dieser Kirche gehörende alte Franziskanerkloster, in dem schon Kaiser Josef II. übernachtet hat, soll nun im Rahmen eines großangelegten europäischen Projektes renoviert werden. Nach 1945 wurde dieses Kloster als ein staatliches Altersheim benützt und vor wenigen Jahren an die Kirche als halbe Ruine zurückerstattet.

Das letzte Konzert fand Sonntag, den 21. August 2011 in der katholischen Pfarrkirche in Reschitza statt. Hier standen hauptsächlich Kompositionen von Bach, Liszt, Oschanitzky, Heller, Hazslinsky, Fritz Pauck und Eugene Gigout auf dem Programm. Diesmal war auch das Deutsche Forum des Banater Berglands an der Organisation beteiligt. Am Schluss des Konzertes bedankten sich sowohl Pfarrer und Domherr Josef Pál wie auch Erwin Josef Tigla, Vorsitzender des Deutschen Forums des Banater Berglands bei den drei Musikern.

 

Die Synagoge von Karansebesch

Blick zur Dangl-Orgel

Die Klaviatur der Dangl-Orgel

Pfeifenwerk der Dangl-Orgel

Ornamentik in der Synagoge

Als Fazit einer solchen musikalischen Schwitztour mitten im Hochsommer durch die Banater Heide kann man in erster Linie das Interesse vieler solcher Zuhörer erwähnen, die gerne auch Werke vergessener Banater Komponisten erleben möchten. Trotz der körperliche und geistigen Anstrengung – sechs Konzerte in sechs Tagen! – konnte man Vieles vom gänzlichen Vergessen retten. Und wenn es nur das Werk Richard Waldemar Oschanitzky gewesen wäre. Wenn man seit vielen Jahren z.B. in Siebenbürgen viele Konzertreihen während des Sommers in Kirchen organisiert, so war dies im Banat, schon den neuen durch die Auswanderung bedingten sozialen Strukturen wegen, nicht möglich. Auch jetzt ist es nicht leicht, in kleineren Orten wie Orawitza, Großsanktnikolaus oder Lugosch, solche Konzerte mit Werken vergessener einheimischer Komponisten zu organisieren. Diesmal aber war es möglich. Und dies wäre es nicht gewesen ohne die tatkräftige Förderung durch das Demokratische Forum der Banater Deutschen, durch die Temeswarer Diözese und nicht zuletzt durch das Kulturreferat für Südosteuropa am donauschwäbischen Zentralmuseum, Ulm. Und im nächsten Jahr soll bereits der dritte Banater Konzertsommer stattfinden.

Trotzdem muss man feststellen, dass die deutsche Kultur in den bis vor wenigen Jahren auch von Deutschen bewohnten Orten langsam in Vergessenheit gerät. Selbst Teile der noch im Banat lebenden deutschen Einwohner kenne ihre eigene kulturelle Identität nur bruchteilhaft. Auf der anderen Seite muss auch festgestellt werden, dass sich auf rumänischer Seite das nationale Element immer mehr ausbreitet, bis hin zu nationalistischen Vorurteilen und Anschauungen. Die deutschen Komponisten, die im 19. Jahrhundert eigentlich die Wege für die zukünftige rumänische Musikkultur ebneten, geraten immer mehr in Vergessenheit. Ob wir es schaffen, den Banater Konzertsommer 2012 zu ermöglichen, steht zur Zeit noch in den Sternen. (F.M.)

 

Wiederbelebung eines verlassenen sakralen Raumes durch Musik

Nach dem Konzert in der Karansebescher Synagoge

Wilfried Michl, Bariton

Konzert in der katholischen Kirche Maria Schnee, Reschitza

Deportationsdenkmal in Reschitza

Gedenktafel

Letztes Konzert: Wallfahrtskirche Maria Radna

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2012

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