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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Michael Jaborsky

(1805-1884)

 

von Dr. Franz Metz

 

Der erste bedeutende Violinisten Temeswars und einer der meistgefeierten Künstler des Banats Mitte des 19. Jahrhunderts war Michael Jaborsky (*11. September 1805 Verbo / Slowakei, †20. September 1884 Temeswar). Er stammte aus einer polnischen Familie und kam in Verbo (Slowakei) zur Welt, wohin seine adeligen Großeltern, Ende des 18. Jahrhunderts, aus Polen geflüchtet waren. Die Mittelschule absolvierte er mit Höchstnoten am Gymnasium in Esztergom / Gran. Schon als Schüler fiel er durch seine schöne Stimme und sein gutes Gehör auf, so dass ihn seine Eltern und Professoren für die priesterliche Laufbahn bestimmten.

Seine Neigung für das Violinspiel bemerkend, ließ ihm sein Vater entsprechenden Unterricht zukommen. Jaborsky trat auf Wunsch seiner Eltern in das Priesterseminar von Esztergom ein, blieb aber nicht lange dort, da die strengen Regeln der Erziehung mit seiner Leidenschaft zum Violinspiel nicht zu vereinbaren waren. Er trat nach einem Jahr (1826) aus dem Seminar aus und inskribierte als ordentlicher Hörer an der medizinischen Fakultät der Universität von Pest. Aber auch dieses Studium musste er frühzeitig abbrechen, denn, als er zum praktischen Teil der Medizin, zum Sezieren kam, versagte sein weiches Gemüt. Nun widmete er sich endgültig der Musik und dem Violinspiel. Am Pester Konservatorium studierte er bei dem aus Temeswar stammenden Geigenkünstler Michael Taborsky und bei Josef Karl Lipinsky. Taborsky spielte in Pest viele Kammermusikwerke Beethovens in dessen Anwesenheit gemeinsam mit Franz von Brunsvik.

Sein erstes öffentliches Konzert vom 26. November 1830 in Pest leitete seine künstlerische Laufbahn ein. 1832 wurde er als erster Geiger des Orchesters der Domkirche nach Temeswar berufen, dem er 50 Jahre lang als Konzertmeister dienen wird, wirkte aber gleichzeitig als Solist und Orchesterdirektor beim Theaterorchester mit. In Temeswar gab er alljährlich ein selbständiges Konzert, genannt Musikalisch-Declamatorische Academie, und unternahm von hier aus Konzertreisen in einige bedeutendere Städte des In- und Auslandes. Über seine Reisen berichtete auch das Temeswarer Wochenblatt: „Der Solospieler am hiesigen Theater und Mitglied der Domkapelle, Herr Michael Jaborsky tritt diesen Monat noch eine Konzertreise an und wird sich zunächst nach Arad und von da über Lugosch nach Siebenbürgen begeben. Bei dem eminenten Talente dieses ausgezeichneten Violinspielers steht nicht zu bezweifeln, daß er durch seine Kunstfertigkeit und sein vortreffliches Spiel aller Orten dieselbe Theilnahme erregen und denselben Beifall einernten werde, der ihm hier stets in reichlichem Maße zu Theil wurde.“

Mit dem Temeswarer Dom- und Theaterkapellmeister Franz Limmer verband ihn eine innige Freundschaft, oft gaben sie gemeinsam Konzerte. Die Musicalisch-Declamatorische Academie vom 9. April 1843 eröffnete Jaborsky mit einer Ouvertüre, die Limmer für dieses Konzert komponiert hatte. Der Ouvertüre folgten Variationen von Vieuxtemps, ein Konzert für Violine von Beriot und Variationen über ein ungarisches Thema von Taborsky. Im Temeswarer Wochenblatt erschien dazu eine Kritik mit folgender auszeichnender Einschätzung: „Wir kennen Violinspieler, die größere Schwierigkeiten zu überwinden im Stande sind, aber wir kennen wenige, die so viel Zartheit, so viel Lieblichkeit besäßen wie Jaborsky. Er wird im Adagio nur von wenigen übertroffen. Jaborsky singt auf seiner Violine und versteht es, seine ganze Seele seinen himmlischen Tönen einzuhauchen. Daß er dann auch den Zuhörer mit sich fortreißt, daß er alle schlummernder Empfindungen in denselben aufregt, ist leicht zu begreifen; aber das ist ja die Aufgabe, das ist der schönste Sieg der Kunst, daß sie das menschliche Herz bewege, rühre, bezaubere.“

 

Als der 1845 gegründete Temeswarer Musikverein ein Jahr später eine Musikschule eröffnete, wurde Jaborsky zum Violinlehrer bestimmt. 1857 unternahm der Künstler eine letzte Konzertreise über Bukarest, Jassy, Odessa und Semlin nach Budapest und beschloss mit diesen erfolgreichen Konzerten seine öffentliche Tätigkeit. Danach wirkte Jaborsky nur noch an der Temeswarer Domkirche und erteilte Violinunterricht. Sein guter Ruhm als Pädagoge war so verbreitet, dass sogar der berühmte Wiener Violinkünstler Josef Hellmesberger seinen Sohn, Josef Hellmesberger jun., zu Jaborsky nach Temeswar einige Male schickte, damit er bei diesem die Kreutzer-Etüden gründlich studiere. Berühmtheit erlangten von seinen Schülern Hugo Bonzer, erster Geiger an der Wiener Oper, der jung verstorbene Alexius Brenner, die Violinkünstlerin Charlotte Deckner, sowie der bekannte Geiger und Bratschist Max Weiß. Am 14. Juni 1875 fand im neuen Temeswarer Redoutensaal, anlässlich Jaborskys fünfzigjährigem Künstlerjubiläum, ein vom Philharmonischen Verein veranstaltetes Konzert statt. Die brillanten Violinvorträge des Jubilars wurden begeistert aufgenommen. Man bewunderte die seltene Kraft, mit der Jaborsky, trotz seines vorgerückten Alters, die Violine handhabte, seine Gedächtnisstärke, da er noch immer wie früher, alle Konzertstücke auswendig spielte. Jaborsky besaß noch alle Vorzüge, die ein Violinvirtuose haben muss: einen vollmarkigen Ton, perlengleiches Staccato, brillante Triller, schöne Bogenführung und eine überlegene Ruhe im Spiel.

Die letzten Jahre lebte Jaborsky wegen einer Beinlähmung, die ihm das Gehen erschwerte, in voller Zurückgezogenheit in der Vorstadt Fabrik. Er starb am 20. September 1884 im Alter von 79 Jahren infolge eines Schlaganfalls. Bei seiner Beerdigung sang der Philharmonische Verein und es spielte die Dommusikkapelle.

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007

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