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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Die religiösen Musikkulturen der Banater Stadt Lugosch um 1900

von Dr. Franz Metz

 

Lugosch… Dieses Florenz des Banats bedeutete ein helles Symbol militanter Kultur im Westen des Landes… Lugosch war, ist und bleibt eine Stätte des Liedes.

Doru Popovici (1960)

 

Das Banat war in vergangenen Zeiten und blieb bis in unsere Tage ein gesegneter Ort des Liedes. Wir wissen nicht, ob die geographische Lage oder das Klima einen solchen positiven Einfluss auf die menschliche Stimme hat, ob die Bevölkerung hier dafür eine bessere musikalische Konstitution besitzt, oder ob die Banater, im Vergleich mit ihren Brüdern der anderen Regionen, sich glücklicherweise über ein reicheres Erbe ihrer Vorfahren erfreuen können. Alles eins wie, eines sicher, dass im Banat immer viel Verständnis für den Gesang aufgebracht wurde, man sang gerne und man sang schön.

Tiberiu Brediceanu (1932)

 

Einführung: Lugosch und die Musik

 

Orasul muzicii – Stadt der Musik – wird diese mitteleuropäisch geprägte Stadt an der Temesch noch genannt, dazu hat sie noch dazu die Lyra in ihrem Wappen. Schon im 19. Jahrhundert behauptete man: Cântecul la el acasa / Hier ist das Lied zu Hause. Von hier aus verbreitete sich auf dem gesamten Gebiet des historischen Banats – also auch des heutigen serbischen Teils, der Wojwodina – das rumänische Sprichwort: Mândră ţară e Banatu / Că la noi cântă tot natu, auf deutsch: Ein stolzes Land ist das Banat / Hier singt die ganze Nation. Dabei bezog man sich immer auf die rumänische Nation, die bis 1919 als eine Minderheit im Königreich Ungarn galt und die um ihre kulturellen und nationalen Rechte zu kämpfen hatte. Trotz dieser patriotischen Gefühle der Lugoscher Rumänen lebte man mit den Deutschen, Ungarn, Serben und Juden in bester Nachbarschaft nebeneinander. Vielleicht gerade auch deswegen, weil die musikalischen Interessen quer durch alle sozialen, ethnischen und konfessionellen Schichten der Gesellschaft gingen und so diese in einer besonderen Art und Weise zusammengeschweißt hat.

Um die Gründe dieser Einstellung der Banater rumänischen Bevölkerung gegenüber nationalen Bestrebungen und den eigenen kulturellen Werte zu verstehen, muss man in der Geschichte dieses Raumes etwas zurückblättern. Als nämlich am 30. Juli 1552 der westliche Teil des Banats von den Türken eingenommen wurde, blieb der östliche mehr hügelige Teil mit den Festungen Lugosch, Karansebesch und Mehadia weiterhin ein freies Gebiet. Gemäß einer Vereinbarung zwischen Ferdinand von Habsburg und Isabella, kam dieser Teil an das Fürstentum Siebenbürgen. Erst 1658 trat Fürst Barcsai den Türken das Severiner Banat mit den Festungen Lugosch und Karansebesch ab. Demnach dauerte die osmanische Besetzung auf diesem Gebiet nicht so lange wie im westlichen Banat.

Im 16.-17. Jh. gab es um Lugosch herum zahlreiche autonome rumänische Distrikte, in denen wohlsituierte rumänische Aristokraten residierten. Deren Kinder hatten selbst die Möglichkeit an ausländischen Hochschulen zu studieren, was dazu führte, dass die Region um Lugosch um die Mitte des 17. Jh. zu einer Art „Respublica litteraria“ wurde. Ein Teil der rumänischen Adeligen trat damals zum Calvinismus über, was dazu führte, dass ähnliche humanistische Ziele wie in Siebenbürgen oder in anderen Teilen Europas verfolgt wurden. Aber auch in katholischen und orthodoxen Gemeinden begann man sich auf christlich-kulturelle und humanistische Werte zu konzentrieren. Es entstanden die ersten rumänischen Bücher mit lateinischer Schrift, Texte aus der Bibel konnten in der rumänischen Sprache verbreitet werden, man ließ Gesangbücher drucken. Zu den bedeutendsten Banater Persönlichkeiten jener Zeit gehörte Gheorghe Buitul, Stefan und Francisc Fogarasi, Mihail Halici Vater und Sohn sowie der Jesuitenmönch Gabriel Ivul. Das Inventar der Bibliothek des Mihail Halici aus dem Jahre 1674 bestand aus über 400 Bänden, darunter befanden sich auch zwei kirchliche Gesangbücher: Cantiones Paschales und Cantiones Nativitatis et Pentecostales. Dass die Kultur des kirchlichen Gesangs in rumänischer Sprache aus Lugosch auch in Siebenbürgen bereits um die Mitte des 17. Jh. geschätzt wurde, erfahren wir aus einem Regulament der reformierten Schule aus Fogarasch, bestätigt durch Susanna Lorantffy im Jahre 1657, in dem man von den Lehreren verlangt, dass die Kinder in der Kirche so in rumänischer Sprache singen sollen, wie es in Karansebesch und Lugosch Sitte ist.

Im Jahre 1783 lebten in Lugosch 1.247 Familien in 1.060 Häusern, insgesamt waren es 5.683 Personen. Zehn Jahre später, 1793, wurden die beiden durch den Fluss Temesch getrennten Stadtteile vereinigt. 75 Jahre nach der Besiedlung des linken Temeschufers durch deutsche Kolonisten entstand somit durch die Vereinigung von Rumänisch- und Deutsch-Lugosch am 18. Nov. 1793 die Stadt Lugosch, die bereits 1778, als das Banat von Österreich an Ungarn übergeben wurde, zur Hauptstadt des Komitats Karasch ernannt wurde. Die Stadt entwickelte sich von Jahr zu Jahr zu einem aufstrebenden Wirtschafts- und Kulturzentrum der ganzen Region. Im Jahre 1851 hatte Lugosch bereits 8.716 Einwohner, davon waren 4.370 orthodoxen Glaubens, 2.246 römisch-katholisch, 893 griechisch-katholisch, 510 jüdisch, 269 lutherisch, 76 reformiert (calvinisch).

Gegen Ende des 19. Jh. gab es in er Stadt Lugosch sieben Chöre, darunter vier Kirchenchöre. Gleichzeitig wirkten hier zwei bedeutende musikalische Persönlichkeiten: Konrad Paul Wusching als Regenschori an der katholischen Pfarrkirche und Ioan Vidu an der rumänisch-orthodoxen Kirche. Wusching, ein ungarndeutscher Lehrer, schrieb zahlreiche ungarische patriotische Männerchöre, deutsche Lieder und Kirchenmusik, Werke die teilweise in Druck erschienen ist. In der damaligen ungarischen Monarchie gab es fast keinen Gesangverein, der nicht wenigstens eines seiner Werke im Repertoire hatte. Vidu schrieb außer rumänisch-orthodoxer Chormusik nur Volksliedbearbeitung und volkstümliche Kompositionen, die von den meisten rumänischen Chören gesungen wurden.

Die beiden Chormusiktraditionen wurden diesseits und jenseits der Temesch mit viel Hingabe und großem Interesse auch von den Bürgern der Stadt gepflegt. Mitglied eines dieser beiden Chöre zu sein, war eine Ehrenpflicht für jeden mündigen Bürger der Stadt. Als Vidu als junger Lehrer nach Lugosch kam, war Wusching bereits seit vierzig Jahren hier als Lehrer, Komponist und Chorleiter tätig. Viele der rumänischen Chormitglieder Vidus waren Schüler Wuschings. Auf vielen Konzertprogrammen kommen die Namen beider Komponisten vor, man kannte sich also. Und trotzdem gibt es kein einziges Dokument über eine Begegnung miteinander oder über eine kollegiale Beziehung.

Der Einfluss der mitteleuropäischen Musikkultur durch die Banater Deutschen auf die Entwicklung der rumänischen Chormusik dieses Kulturraunms ist unverkennbar und wird auch von rumänischen Musikwissenschaftlern anerkannt. Vidu äußerte sich mehrmals begeistert über die Chormusik der Deutschen im Banat, doch wollte er etwas Eigenes schaffen und nicht Chöre deutscher Komponist in rumänischer Übersetzung singen. Dies wird ihm, trotz vieler persönlicher Niederlagen, bis zum Schluss auch gelingen.

Aber nicht nur die deutsche und rumänische Chormusiktradition des gesamten Banater Kulturraums wurde von Lugosch aus beeinflusst. Auch an der Lugoscher jüdischen Synagoge entstand der erste Chor, nach dessen Beispiel auch in anderen Städten Hazamir-Chöre ins Leben gerufen wurden. In all diesen Lugoscher Religionsgemeinschaften kann man wenigstens eine gemeinsame Komponente feststellen: die Kirchenchöre wirkten gleichzeitig auch als Gesangvereine, wobei der eigenen nationalspezifischen Musikkultur oft eine prioritäre Rolle zukommt.

Die blühende Chormusiktradition in Lugosch war für diese Gegend aber nichts Besonderes. Einige Kilometer vor den Toren der Stadt befindet sich das rumänische Dorf Chizatau, in dem bereits zum Beginn des 19. Jh. Pfarrer Trifu Sepetian einen Bauernchor (Chor der Leibeigenen) gegründet hat, der auch in der Kirche sang. Nach diesem Beispiel wurden in vielen benachbarten und weitergelegenen Banater rumänischen Dörfern ähnliche Bauernchöre gegründet. Der Bauernchor aus Chizatau trat oft gemeinsam mit dem Lugoscher rumänisch-orthodoxen Kirchenchor wie auch mit deutschen Chören auf, man nahm gemeinsam an Chorfesten und Chorwettbewerben teil. Im Jahre 1882 feierte man das 25-jährige Jubiläum dieses Chores, dafür wurden viele befreundete rumänische und deutsche Chöre eingeladen. Auch der bekannte in der Bukowina gebürtige Komponist Ciprian Porumbescu, der damals als Lehrer in Kronstadt tätig war, wurde als Jurymitglied eingeladen. Nachdem er die rumänischen Chöre aus Lugosch, Chizatau und aus den anderen Ortschaften gehört hatte, schrieb er voll Begeisterung in einem Brief in deutscher Sprache an seine Schwester: „… kann dir nur sagen, es war etwas Besonderes! Hier lebt ein ganz anderes Volk als bei uns, ein Volk, das die Dinge ernst und heilig nimmt, was seine Mission und Situation anbelangt, und daraus entstehen nur beständliche und wahrhaftige Sachen, entfernt von all den bekannten rumänischen Fanfaronaden. Die Gesangvereine haben mich mit ihrem können überrascht. Die premierten Chöre waren so ausgezeichnet, so dass unser Gesangverein in Kronstadt nichts daneben ist.“

 

Konrad Paul Wusching und die katholische Kirchenmusik

 

Die Lugoscher Minoritenkirche (auch Pfarrkirche) war im 18. und 19. Jh. ein Zentrum der Banater Kirchenmusik; die Kirchengemeinde wurde 1718 gegründet. Bereits Ende des 18. Jh, wurden hier Kompositionen Mozarts, Joseph und Michael Haydns aufgeführt. Auch die Mönche selbst beschäftigten sich mit Kirchenmusik, Klavierunterricht und Orgelbau. Zu den ersten Lugoscher Kantorlehrern gehörte Franz Seehorst, 1791 nannte er sich "Lehrer oder Schulmeister, Organist, Glöckner, Kirch-Pfarr- und Sakristeidiener".

Viele der uns erhaltenen Handschriften des Lugoscher Kirchenchores enthalten Eintragungen mit dem Datum der Aufführungen. So können wir in der Partitur des Requiems von Abbé Maximilian Stadler folgende Eintragung finden (sie stammen alle von Wusching): „1849 den 15. Jänner wurde es zum 1ten mal für Dir. Molnar; 1849 für meinen Schwiegervater den 16. April; 1850 den 15. Jänner für Dir. Molnar, verstorben; Den 18. Feber 1852 für den alten Liszka; Am 4. Juny 1872 für Erzherzogin Sofie; Am 14. Juli 1875 für Kaiser u. König Ferdinand.”

Lugosch zählte schon immer zu den musikalischen Zentren des Banats, hier wurden noch zu Lebzeiten Mozarts, Haydns und Schuberts deren Messen und andere kirchenmusikalische Werke aufgeführt. Die Lugoscher Minoritenkirche war zur gleichen Zeit der Kulturträger dieser Stadt. Auch die bisher älteste Banater Klavierschule stammt aus Lugosch, geschrieben und datiert 1760 von einem Mönch des Minoritenklosters. Wie bedeutend das musikalische Ansehen dieser Stadt gewesen sein mag, ist ersichtlich aus dem Entschluss des jungen, erst 21-jährigen Lehrers Konrad Paul Wusching (*10. Jan. 1827 Großmanyok / Komitat Tolna, + 26. Aug. 1900 Lugosch), als "Lehrer und Regenschori" nach Lugosch zu kommen.

Wusching entstammt einer Handwerkerfamilie aus Großmanyok wo er als 17. Kind am 10. Januar 1827 zur Welt gekommen ist. Das musikalische Talent wurde recht früh in dem Jungen entdeckt und mit großen materiellen Opfern von den Eltern gefördert. Sein Lebensweg war somit von seinen Eltern vorherbestimmt: er soll Lehrer werden. Franz Felsmann, der Oberlehrer des Ortes, übernahm die Ausbildung des Kindes, dabei musste der Junge auch einige Instrumente erlernen, dazu gehörte auch das Orgelspiel. Seine Studien setzte Wusching in Fünfkirchen fort und absolvierte 1843 das Lehrerseminar. Danach war er ein Jahr in Kömlöd tätig und vier Jahre in Buda (Ofen). Am 26. August 1848 wurde er zum "Lehrer und Regens-Chori" der katholischen Kirchengemeinde zu Lugosch ernannt. Hier wirkte er ununterbrochen bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1893.

Für die Zeitspanne 1850-1900 kann man behaupten, dass Wusching eine der bedeutendsten Musikerpersönlichkeiten des Banats war. Nach der Revolution von 1848-1849 gründete er zusammen mit Liszka einen der ersten Banater Gesangvereine, den Lugoscher Gesang- und Musikverein. Parallel zu seiner Tätigkeit als Kirchenmusiker setzte er sich bis zu seinem Tode unermüdlich für diesen Chor ein. In dieser Zeit ist das Kirchenmusikleben mit jenem des Gesang- und Musikvereins eng verbunden und es waren auch meist dieselben Sänger die in diesen beiden Chören mitwirkten. Den Lugoscher Gesangverein leitete er zwischen 1857-1895. Im Jahre 1869 hielt er sich für Studien in Würzburg auf, wo er auch unterrichtete.

In einem Brief vom 16. Juli 1874 an den Temeswarer Philharmonischen Verein führt er an, dass seine ungarischen Werke bei „Taborszky et Parsch“ und „Rozsavölgyi“ in Budapest und die deutschen bei „Bösendorfer“ in Wien erschienen sind.

Einiges über sein Wirken in Lugosch erfahren wir aus dem ungarischen Erinnerungs-Blättchen vom 9. September 1883. Dann nämlich fand in Lugosch das Fest des Jahres statt: das 40-jährige Lehrerjubiläum von Konrad Paul Wusching. Der Herausgeber dieser Jubiläums-Schrift, Wenczey Jánosch, schrieb als Titel: Jubiläum-Erinnerungs-Blättchen für Gelegenheiten erscheint alle 40 Jahre um Mitternacht, Lugosch den 9. September 1883. Zu dieser Gelegenheit wurde Wusching auch mit der Goldenen Erinnerungsmedaille des Gesangvereins ausgezeichnet. Bis dahin hatte er über 35 kirchenmusikalische und doppelt so viele weltliche Werke komponiert, zahlreiche davon sind auch in Druck erschienen.

Wusching muss ein sehr beliebter Lehrer und Bürger der Stadt Lugosch gewesen sein, was anhand des Festablaufes zu entnehmen ist. Es kam der Karansebescher Musik- und Gesangsverein, der Temeswarer Philharmonische Verein, der Ungarische Lehrer-Verein, die Vereinigung der Musiklehrer und der Steierdorfer Gesangsverein. Für den Lugoscher Musik- und Gesangsverein war dies eine große Ehre, aber auch eine große Aufgabe, die Empfänge vorzubereiten. Alle Chöre beteiligten sich an dem Ständchen für den Jubilar, Franz Scherff hielt die deutsche Ansprache, Miksa Putnik die ungarische. Im Gasthof Ungarischer König fand am gleichen Abend ein Chorvortrag des Lugoscher Chores statt und Sonntag wurde Wusching in der Kirche gefeiert: in der 9-Uhr-Messe sang der Mädchenchor der Klosterschule und um 10 Uhr war das feierliche Hochamt, in dem die Krönungsmesse Mozarts erklang. Auch das Graduale In te Domine speravi von Wusching wurde gesungen, eine frühe Komposition, die in Budapest gedruckt wurde. Das Männerquartett gab sein Bestes: Franz Scherff, Josef Holzmann, Ernst Pauck und Moritz Fischl.

Vier Jahre später, am 24. November 1887, erschien in der Budapester Musikzeitung Zenelap aus Anlass seines 60. Geburtstags ein Porträt und eine kurzgefasste Biographie: der Name des Lugoscher Komponisten und Kantors Konrad Paul Wusching war in der ganzen ungarischen Monarchie weit verbreitet. Kaiser Franz Josef überreichte ihm als Anerkennung für seine kulturellen Verdienste das Goldene Kreuz. Viele Musik- und Gesangsvereine ernannten Wusching zu ihrem Ehrenmitglied und seine Kompositionen wurden von den meisten Chören Ungarns gesungen.

Noch zwei Jahre vor seinem Tode, am 7. August 1898, organisierte der Temeswarer Chor Gewerbe-Harmonie einen Wusching-Abend in den „Localitäten des Hotels Pfau“ der Fabrikstadt. Dabei wurden nur Wusching-Kompositionen aufgeführt.

Das kompositorische Schaffen Konrad Paul Wuschings ist sehr reichhaltig: über 170 Werke sind zwischen 1851 und 1900 entstanden, davon sind uns noch knapp 30 Werke erhalten geblieben. Darunter das Tantum ergo als Opus 1, datiert "März 1851", die Antiphon Ecce sacerdos magnus, datiert 24. Oktober 1855, ein Werk das für den Empfang des Kardinals und Erzbischofs von Bologna komponiert wurde, und die Pauline-Messe, als Opus 133 mit dem Vermerk "Villa Weingartenheim ´Gonduzö´, 7. August 1890, wurde am 4. Oktober 1890 zum ersten Mal aufgeführt". Viele seiner Werke wurden auch veröffentlicht, darunter Lieder mit Klavierbegleitung und ein Streichquartett.

Ein besonderes Verdienst gebührt Wusching für die regelmäßige Aufführung wertvoller klassischer Kirchenmusik. Er selbst vermerkte auf dem Einband der Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze von Joseph Haydn, dass die Aufführung sehr gut besucht war und einen großen Erfolg hatte. Wusching vermerkte auf dem Umschlagdeckel des Aufführungsmaterials aus dem Jahre 1849 Einzelheiten über die damalige Aufführung:

 

Das Oratorium von Haydn welches 1849 am Karfreitag Nachmittag 4 Uhr unter Leitung des unterzeichneten zum ersten male aufgeführt wurde, war die Kirche zum erdrücken voll, welche Theilnehmenden durch das Zusammenwirken des braven Orchesters ganz befriedigend ... nach Genuß ging, welche zur Aufführung des Oratoriums milde Gaben gespondert sind folgende: Pfarrer Lachner, Direktor, Liszka, Beer, Bayer, Weinhardt, Gartner, Mois, Pergei, Hochinger, Pittl, Palini, Feßler, Höfler, Osetzky, Anton Höffler, Csakány, Szende. Die ganzen Stimmen 25 fl. 30x Conv. Münze.

Lugosch den 2. July 1849

Paul Konrad Wusching

Regenschori

 

Dieses Werk wurde auch noch 130 Jahre später unter der Leitung des Kantors der Minoritenkirche, Martin Metz, öfter aufgeführt.

Johann Felsmann (*3. Feb. 1839 Großmanyok / Komitat Tolna, +15. Jan. 1891 Lugosch) kam auf Empfehlung seines Onkels Wusching als Lehrer nach Lugosch und wirkte hier viele Jahre als Organist und Klavierlehrer. Er war lange Zeit Mitglied des Kirchenchores und des Lugoscher Gesang- und Musikvereins. Felsmann half Regenschori Wusching auch beim Kopieren von Notenmaterial, viele Abschriften aus der damaligen Zeit stammen aus seiner Hand. 1865 gab Felsmann in Lugosch das Taschenbuch für Gesangvereine heraus.

Zum Nachfolger von Konrad Paul Wusching als Kantor der katholischen Kirche in Lugosch wurde Stefan Walker (Valker) (*1867 Raab, +März 1910 Lugosch) ernannt. Er studierte in Wien bei Hellmesberger Violine und auch an der Budapester Landesakademie. 1886-1891 war er Violinprofessor an der Raaber Musikschule, kam 1891 nach Lugosch und übernahm hier die Leitung des Musik- und Gesangvereins. Nach dem Tod von Wusching übernahm er auch die Kantorenstelle und damit auch die Leitung des Kirchenchores. Er soll 1910 schwer durch Messerstiche verletzt worden sein und fand dabei den Tod. Eine andere Quelle sagt, dass er 1910 nach Ödenburg als Kantor, Direktor der dortigen Musikschule und als Kapellmeister des Musikvereins ging. Walker gab auch Violinkonzerte in Wien und Dresden. Seine Kompositionen blieben bisher verschollen.

 

Werke von K. P. Wusching

- Requiem, Gesang und Orgel /Abschrift, 1847, Ms; "K. Vusching", Lugosch

- Tantum ergo, gem. Chor und Orchester, op. 1, 1851, Ms; Lugosch, März 1851; Aufführungsmaterial

- Offertorium "In te Domine speravi", op. 12 für 4 Männerstimmen, 1870, Ms, Druck

- Tantum ergo in C, für gem. Chor und Orchester, op. 15, 1855, Ms; "Dreifaltigkeitssonntag 1855"

- Antiphona (Ecce sacerdos magnus) bei Visitationen oder Firmungsfeierlichkeiten zu gebrauchen für 4 Männerstimmen, op 18, 1855, Ms; "Zum erstenmal gesungen beim Empfang Sr. Eminenz dem Hochwürdigsten Cardinal und Erzbischof v. Bologna Hr. Hr. Viale Prela am 24. October 1855. Für gemischten Chor umgeschrieben zum Empfang des Bischofs J. Németh zur Firmung am 7. Juni 1879. Am 4. October 1888 zum Empfang des Bischofs J. Nèmeth zur Firmdung."

- Tantum ergo, gem. Chor und Orchester, op. 33, 1870~, Lugosch, Ms; Aufführungsmaterial

- Graduale Pastorale "O große That, erwünschte Nacht", 4 Männerstimmen mit oblig. Orgelbegleitung, op. 37, 1864, Ms; 14. Dezember 1864

- Tantum ergo pastorale, op. 41, für Chor und Orchester, 1866, Lugosch, Ms; Aufführungsmaterial; zum 1. Mal aufgeführt 25. Dezember 1866

- Maygar Mise. Szövegét irta Garay Alajos zenéjét négy szólamu férfikarra szerzé és Nagyaságos és fötisztelendö Kümmer Henrik János apát-és Nagyváradi kananok úrnak sab. mély tusztelettel ajánlja Wusching Konrad Pál. op. 41, 1880, Siegel: Philharmonischer Verein in Temesvár; Druck in Wien; auch Autograph Partitur;

- Offertorium (Am Christihimmelfahrtstage) für Sopran, Alt, Tenor et Bass, Violino I, II, Viola, Clarinett I, II, Corno I, II, Violon et Cella, op. 44, 1868, Lugosch, Ms;

- Hymne zu Ehren des h. Vaters, für 4 Männerstimmen (Orgelbegleitung im Kirchenbuche" (Melodie: Wo sich Petri Dom erhebet), 1869, Ms;

- Elevabis manibus, Offertorium für Christi Himmelfahrt, aus op. 44 bearbeitet, für gem Chor, op. 110, 1885, Ms, Lugosch

- Tantum ergo, gem. Chor und Orchester, op. 47, 1868, Ms, Lugosch, Pfingsten 1868; Aufführungsmaterial

- Tantum ergo in C, für gem. Chor und Orchester, 1870~, Ms; "C. P. Vusching, Chorregent zu Lugos an der r. k. Pfarrkirche"

- Tantum ergo, für gem. Chor, nach einer Choralmelodie bearbeitet, op. 70, 1876, Lugosch, am Feste Peter und Paul 1876; Ms; Aufführungsmaterial

- Vexilla, für gem. Chor, am Charfreitag zu gebrauchen, 1880, Ms; 17. März 1880

- Graduale "Sanctorum meritis", op. 86, für gem Chor und Orgel, 1880, Ms;

- Oster-Offertorium, für Sopran Solo, gem. Chor und Orgel, op. 93, 1882, nur Titelseite, Ms;

- Offertorium, gem. Chor: "Magyarok királynéja", op. 100, gewidmet Ságh József von der Zeitschrift "Zenelap" Druck

- Salve Regina, gem. Chor1880~, Stimmen, Ms;

- Uj sionhegy, Männerchor, 1880~, Stimmen, Druck;

- Missa in C, für gem. Chor und Orgel, 1880~, Ms;

- Que est ista, gem. Chor, 1882, Ms; auf der 1. Seite der Partitur die Vertonung des Wahlspruchs eines rumänischen Gesangvereins: "N. Kostély Gesangvereins Wahlspruch Sept. 1882"

- Tantum ergo, für gem. Chor und Orgel, op. 112, 1885, Ms; 18. Dezember 1885

- Te Deum in C, für gem. Chor und Orchester, 1885~, Ms;

- Messe in G, op. 117, für Chor und Orchester, 1886 Kopie; "Weingartenheim Gondüzö, Juli 1886"; Original im - Tantum ergo, Männerchor, 1890~, aus Karansebesch; einzelne Stimmen Ms;

- Tantum ergo, gem. Chor und Orchester, op. 124, 1888, Ms; "Villa Weingartenheim Gondüzö in der ersten Hälfte des Juli 1888 (der Trauer) Wusching K, P."

- Graduale: Fohász, gem. Chor, Text: Mindszenti Gedeon, op. 137, 1891, Ms; komp. "Gondüzö, aug. utolján (?) 1891"

- Messe, op. 150, 1890~, Partitur, Stimmen Ms;

- Te Deum laudamus, für Männerchor, 1896, Autograph und Vervielf. von Wilhelm Schwach, Lugoscher Haus der Musik

- Ave Maria, op. 364 (?), 1898, Ms; Siegel: "Pfarramt Temeswar-Elisabethstadt"; "Lugos 26. Mai 1898"

- Paulinen-Messe, op. 133, für gem. Chor und Orchester, 1890, Ms; "Villa Weingartenheim Gondüzö am 7. August 1890. Am 4. October 1890 zum erstenmal aufgeführt"

Im Jahre 1927 hat Kantor Andor Arató den katholischen Kirchenchor Jubilate ins Leben gerufen. Arató war davor in Hatzfeld als Kirchenmusiker tätig. Die Zusammenarbeit mit den anderen Chören der Stadt Lugosch lief auch nach 1919 problemlos. So gab man zum 10-jährigen Jubiläum des formell neugegründeten katholischen Kirchenchores Jubilate gemeinsam mit dem rumänischen Vidu-Chor und des Lugoscher Philharmonischen Vereins am 3. April 1937 im Saal Dacia ein gemeinsames Konzert:

    Societatea Filarmonica Lugoj

    Programul Concertului cu concursul corului Vidu si corul bisericii romano-catolice „Jubilate“ cu ocazia iubileului de 10 ani, sambata 3 aprilie 1937, Sala Dacia.

    1. Franz v. Suppé: Dama de Pica. Ouvertura executata de Filarmonica sub cond. muz. a domnului Capitan Fr. Gherber.

    2. J. Haydn : din Oratoriul „Creatiunea“ (Die Schöpfung“:

     a) Corul nr. 2 cu solo de tenor executat de corul „Jubilate“ si dl. prof. Georg Dippon, sub cond. muz. al domnului A. Arató

     b) Corul nr. 4 cu solo de sopran executat de corul „Jubilate“ si doamna Angela Vogel-Kardos.

    3. W. A. Mozart: Cvartet in re minor, executat de cvartetul Filarmonicii, domnii Hegyesi, Vadar Nelli, Steiner si Capetanovici

    4. Charles Gounod: Fantezie din opera „Faust“ exedcutat de societatea Filarmonica, sub cond. muz. a domnului capitan Fr. Gherber.

    5. A. Borodin: Cor final din opera „Printul Igor“, executat de corul Vidu cu solii de dl. profesor G. Dippon, D. Wallandt, sub cond. muzicala a domnului Filaret Barbu.

    (Programm gedruckt bei Auspitz in Lugoj)

     

Ioan Vidu und die rumänisch-orthodoxe Chormusik

 

Der Chor der rumänisch-orthodoxen (griechisch-orthodoxen) Kirche in Lugosch wurde im Jahre 1810 vom Lehrer Nicolae Marcu gegründet und bestand damals aus 28 Mitgliedern. Das älteste Dokument stammt vom 1. Juli 1815, das Protokoll einer Sitzung, in welchem es um den Platz des Chores während der Liturgie geht. Da nur 9 Chormitglieder von der Strana singen wollten, die restlichen wollten dies keineswegs, hat man beschlossen, dass weiterhin an der Strana nur die „Priester, Herren und Sänger“ bleiben werden, der Chor wird weiterhin von der „Pevnita“ (Cafas) aus singen. Somit ist es ersichtlich, dass der Gesangs während der Liturgie sowohl von vorne als auch von der Chorempore ausgeführt wurde. Die verschiedenen Antworten während des Gottesdienstes wurden nicht vom Volk, sondern vom Chor aus gegeben. Das Einlernen der Gesänge geschah nach dem Gehör.

Lehrer Nicolae Marcu verlangte 1822 für seine musikalischen Dienste an der orthodoxen Kirche in Lugosch ein Gehalt, dass man ihm aber mit der Begründung verweigert hatte: „Da an unserer Lugoscher Kirche bisher der Gesang auf Bezahlung nie eingeführt wurde und die Zeiten dafür ungünstig sind, kann diese dem Antragsteller nicht gewährt werden“. Lehrer Marcu wird trotzdem weitern den Kirchenchor leiten und seine Schüler im Gesang unterrichten. Dies Tätigkeit führte er 26 Jahre lang aus.

Dass im Jahre 1810 Lehrer Marcu einen orthodoxen Kirchenchor ins Leben gerufen hat, heißt aber nicht, dass davor der Chorgesang in dieser Kiche nicht existierte. Ioan Stratan schreibt in seinem Buch, dass Nicolae Marcu sich den mehrstimmigen Gesang von den Chören der deutschen Kolonisten angeeignet hat, die bereits im 18. Jahrhundert „aus dem Lande Beethovens und Mozarts komment“ diese Traditionen pflegten. Durch das Nebeneinander dieser beiden Kulturen scheint dies auch selbstverständlich gewesen zu sein. Bereits 1808 gingen einige Sänger der orthodoxen Gemeinde nach Werschetz, um dort „den neuen Gesang“ zu erlernen. Die Kirchengemeinde unterstützte dies mit 7 fl. für den Transport und 10 fl. für den Gesangslehrer.

Die ältesten Dokumente über das Singen des orthodoxen Chores nach Noten stammen aus dem Jahre 1840, als Lehrer George Ghenea diesen geleitet hat. Anscheinend hat sich der gute Ruf dieses einzigartigen mehrstimmigen Chorgesangs in Lugosch so verbreitet, dass ein Lehrer aus Ocna-Sugatag (Maramures) von seinem Kollegen aus Lugosch Einzelheiten darüber wissen wollte: welche Chöre werden gesungen, von wo beschafft er sich die Noten, wie ist der Chor organisiert, usw. Dies führte auch einige Jahrzehnten später zu jenen Schlussfolgerungen, die Tiberiu Brediceanu in seiner Arbeit über die Chortraditionen Rumäniens festgestellt hat: „Diese althergebrachten Chortraditionen sind nicht nur ihres Alters wegen für die rumänische Musikgeschichte von größter Bedeutung, sondern durch die Anfänge dieses Kirchenchores konnten später weltliche oder profane Chortraditionen entstehen, die zur Gründung des Rumänischen Gesang- und Musikvereins in Lugosch beigetragen haben.“

Das Jahr 1840 bedeutete für den orthodoxen Kirchenchor ein Wendepunkt in der Chorgeschichte des rumänischen Volkes: der Wunsch nach einem künstlerischen Fortschritt und beeinflusst durch die Musikkultur benachbarter („fremder“) Bürger, wollte man den „philharmonischen Gesang“ nach Noten, wie er in den benachbarten Städten Temeswar, Arad oder Werschetz üblich war, erlernen. Man beschloss deshalb Chorleiter George Ghenea, Lehrer Iota Pavel gemeinsam mit den Sängern Nita Pop (Tenor), Ioan Baciu (Tenor II) und Ioan Dragoiescu zum Musiklehrer und Domkapellmeister Moritz Pfeiffer nach Temeswar zu schicken und von diesem das mehrstimmige Singen nach Noten zu erlernen. Im September 1840 konnte man durch Spenden von Gläubigen die nötigen 200 fl. zusammentragen, um deren Aufenthalt in Temeswar zu sichern.

Der 24. November 1840 ging in die Geschichte des orthodoxen Kirchenchores als ein weiterer Wendepunkt ein: das Präsbiterium beschließt „diesem Fehlen an Schönheit“ in ihrer Kirche ein Ende zu bereiten und die Einführung „dieses schönen philharmonischen Gesangs“ auch finanziell zu unterstützen. Die Lehrer George Ghenea und Ioan Pavel sollen danach selbst gegen den Willen der Eltern die Kinder im Singen nach Noten unterrichten, was auch an den anderen Schulen eingeführt werden muss. Nach dem mehrmonatigen Aufenthalt in Temeswar sang der neue Chor an Ostern 1841 zum ersten Mal in der Liturgie. Über diesen großen Erfolg sprach man in Lugosch noch lange Zeit danach und die Nachricht verbreitete sich weit hinaus. Selbst aus Pantschowa meldete sich der Musiklehrer Sigismund Ioanovici, der in seinem Angebot binnen eines Jahres 24 Sänger für die Summe von 300 fl. unterrichten wollte.

Zum Repertoire der rumänisch-orthodoxen Kirchenchören im 19. Jh. gehörten auch die Vertonungen und Bearbeitungen von Benedict Randhartinger (1802-1893) nach griechischen Kirchengesängen. Diese wurden im Banat mit kirchenslawischem oder rumänischem Text gesungen. Die Partituren und Abschriften wurden von einem Chorleiter zum anderen herumgereicht, so gelangten diese Werke von Temeswar bis Pantschowa und von Arad bis Mehadia. Solche mehrstimmige Vertonungen verschiedener Antwort- und Lobgesänge wurden meist an Sonn- und Feiertagen vom Chor übernommen, während der Woche sang man diese Teile der Lithurgie von der Strana aus. Dass Anton Bürger und Josef Czegka, also „Fremde“, wie Ioan Vidu sie nannte, einen orthodoxen Kirchenchor geleitet haben, war in Banater Kirchen üblich. Auch der serbisch-orthodoxe Kathedralchor wurde einige Zeit von Kapellmeister Heinrich Weidt (1824-1900) geleitet, in der Stadt Karansebesch war es der Böhme Anton Sequens, der auch ein bedeutender Musikpädagoge war. Selbst der katholische Temeswarer Domkapellmeister Wilhelm Franz Speer schrieb Chorwerke für den orthodoxen Gottesdienst.

Somit war die rumänisch-orthodoxe Banater Kirchenmusik im Gegensatz zu jener der Walachei, Siebenbürgens und der Moldau mehreren Einflüssen ausgesetzt. Erstens war es die serbische-orthodoxe Kirchenmusik, die ihrerseits durch die russische beeinflusst wurde. Der größte Teil der rumänisch-orthodoxen Kirche des Banats stand lange Zeit unter der Leitung der serbisch-orthodoxen Kirchenprovinz zu Karlowatz, was dazu führte, dass auch die Ausbildung der Sänger und das Repertoire ähnlich war wie jenes der serbisch-orthodoxen Kirche. Dazu gehört auch der relativ früh eingeführte mehrstimmige Gesang. Erst nach der Revolution von 1848 begannen die Autonomiebestrebungen der orthodoxen Rumänen im Banat, bis 1865 laut Dekret von Kaiser und König Franz Josef I. die Bistümer Karansebesch und Arad entstehen konnten. Die rumänisch-orthodoxe Gemeinde in Lugosch gehörte damals zum Karansebescher Bistum.

Der Einfluss der byzantinischen, psaltischen und orientalischen Musik aus der Walachei, Konstantinopel und dem Berge Athos blieb weiterhin erhalten, doch erlebte diese Veränderungen, meist durch Weglassung von spezifischen orientalischen Ornamenten. Obzwar I. Popescu-Pasarea die psaltische oder orientalische Musik als Fundament der orthodoxen Kirchenmusik Rumäniens nennt, muss der Begriff „orientalisch“ in einem weiteren Kontext betrachtet werden. Ein dritter Einfluss auf die rumänisch-orthodoxe Kirchenmusik des Banats kam durch den Transfer mitteleuropäischer Musikkultur in das Banat, übermittelt durch die Gesangskultur der deutschen Kolonisten im 18. Jahrhundert. Speziell die Annahme mitteleuropäischer Musiknotation, die Einführung des Singens nach Noten und die Gründung von kirchlichen Gesangvereinen, wie es auch in Lugosch der Fall war, führte zur Entstehung einer anderen rumänisch-orthodoxen Kirchenmusik als diejenige die in den rumänischen Fürstentümern gepflegt wurde.

Die revolutionären Ereignisse der Jahre 1848-1849 fanden in Lugosch einen weiteren Höhepunkt durch den Rumänen Eftimie Murgu, der in der Nähe der Stadt eine große Volksversammlung einberufen hat. Trotzdem konnte sich die orthodoxe Kirchenmusik fast ungehemmt weiterentwickeln. Nach der Pensionierung des Lehrers und Chorleiters Ghenea folgte eine Zeit der Stagnation, bis in den fünfziger Jahren des 19. Jh. Musiklehrer Anton Bürger zum neuen Chrleiter ernannt wurde. Trotzdem sowohl die rumänisch-orthodoxen wie auch die griechisch-orthodoxen Rumänen sich gemeinsam für ihre sozialen und kulturellen Freiheiten eingesetzt hatten, kam es im Jahre 1860 zu einem Konflikt: bei der Einführung des neuen griechisch-katholischen Bischofs Alexandru Dobra sang auch der orthodoxe Chor unter der Leitung Anton Bürgers. Dieser bekam dadurch Ärger und legte die küntslerische Leitung des Chores nieder. Am 10. Nov. 1869 übernahm Josef Czegka die Leitung und damit begann ein neuer Aufschwung.

In der Zwischenzeit spielt immer mehr auch die weltliche Chormusik ein wichtige Rolle im Repertoire des Kirchenchores. Man sang sowohl deutsche Chormusik als auch orthodoxe Kirchenmusik und patriotische Gesänge. In den Reihen der Lugoscher Bürgerschaft wuchs das Ansehen dieses Chores so sehr, dass er im Jahre 1872 bereits 120 Mitglieder zählte. Dazu gehörten nicht nur Bauern und rumänische Intelektuelle sondern deutsche, ungarische und serbische Bürger. Auch jüdische Musikliebhaber traten diesem Gesangverein bei, wie Filip Neumann, die Gebrüder Deutsch, Ida Wolff, u.a. Gleichzeitig wuchs auch die politische und nationale Bedeutung dieses rumänischen Chores, dessen Entwicklung von den ungarischen Behörden mit Argwohn beobachtet wurde. Zu den bedeutendsten Unterstützer zählten der Richter Constantin Udrea und der Jurist Coriolan Brediceanu.

Im Jahre 1888 wurde dem jungen Lehrer Ioan Vidu (1863-1931) die Leitung des Chores übertragen. In Arad war er Schüler der Präparandie, wo er in Musik von Johann Händl, dem Direktor des Arader Konservatoriums, unterrichtet wurde. Für seine Tätigkeit in Lugosch bekam er ein Gehalt von 150 fl. Über seine ersten Jahre als Lugoscher Chorleiter schreibt er später: „Was die Musikkultur anbelangt, war dieses Terrain verdeutscht, da meine Vorgänger alle Fremde waren, sagten sie, dass unsere Volksmusik und Kirchenmusik „Keine Musik“ sei! Deshalb staunte ich mich nicht, als ich feststellte, dass das Repertoire des Gesangvereins nur aus übersetzten Stücken bestand. Anderseits war das Repertoire sehr reichhaltig, bestehend auch aus einigen Operetten, deren Aufführungen durch den Gesangverein sowohl von der deutschen als auch von der rumänischen Presse sehr gelobt wurden.“ Seine ersten Proben führten zu Auseinandersetzungen mit den Sängern. Er wollte neue rumänische Volkslieder einstudieren, doch die Sänger protestierten: „Sind wir dorthin gekommen, dass wir die Trinklieder vom Weinberg erlernen sollen?“ Um nicht ohne Sänger zu bleiben, musste er diese neuen Stücke zurückziehen und weiterhin die „melodiösen deutschen Gesänge“ singen.

Diese autobiographischen Aussagen Vidus wurden oft von rumänischen Musikwissenschaftlern, besonders nach 1945, tendenziös politisch interpretiert: hier die „verdeutschte“ Musikkultur der „Fremden“ Bürger, dort jene der unterdrückten Rumänen im „unterdrückten Banat“; vor 1888 die „fremden“ Chorleiter Bürger und Czegka, danach der von nationalistischen Ideen begeisterte patriotische Komponist Ioan Vidu; hier die nach Wien orientierte Gesellschaft der Ausbeuter, dort die unterdrückten Rumänen. Diese Einstellung entsprach bis 1989 den Wünschen des Ceausescu-Regimes und wurde in den letzten Jahren in wenigen Fällen revidiert und wissenschaftlich korrigiert. Eigentlich war die Problematik 1888 für Ioan Vidu eine andere: er kam als Anfänger in eine Stadt, in der bereits Jahrzehnte davor Musikgeschichte geschrieben wurde. Die Missverständnisse lagen wohl in der Wahl des Repertoires: bisher sang man Chormusik aus der Universalliteratur, Vidu kam mit rumänischen Volksliedern, bearbeitet nach den „Gassenliedern“, die man am Weinberg gerne singt. Doch mit der Zeit fand man einen Mittelweg: der eifrige junge Chorleiter musste sich an das vorgefundene hohe musikalische Niveau in Lugosch anpassen, der Chor gewöhnte sich mit der Zeit an die neue rumänische Chorliteratur ihres Dirigenten. Außerdem haben sich auch die Zeiten geändert: durch den Druck der ungarischen Regierung gegen die nationalen Minderheiten – dazu zählten nicht nur die Rumänen und Serben sondern auch die Deutschen – stieg die Anerkennung der Bürger für die Tätigkeit Vidus als Komponist und Chorleiter. Ihm wurde seitens der orthodoxen Kirchengemeinde auch die Möglichkeit gegeben, sich in Komposition bei Gavriil Musicescu in Jassy wie auch in Budapest und Wien fortzubilden.

Ein weiterer Wendepunkt für den orthodoxen Kirchenchor in Lugosch war das Konzert des Kathedralchores aus Jassy unter der Leitung von Gavriil Musicescu. Dieser Chor bestand aus 42 Kinder- und Männerstimmen und machte 1890 eine Konzertreise durch Siebenbürgen und das Banat. Auf dem Programm standen sowohl geistliche Werke von Orlando di Lasso, Händel, Stradella, Auber und Flonder als auch sechs rumänische Volkslieder bearbeitet von Musicescu. Vidu erinnerte sich später: „… danach sang man meine Volkslieder vom Weinberg viel lieber und auch das Publikum hörte sie gerne.“

Ioan Vidu gründete 1892 einen Kurs für Chorleiter, nachdem er in Jassy und in Wien seine Studien vertiefen konnte. Seinen Aussagen nach, fehlte es an einer rumänischen Schule, um sich mit dem eigenen nationalen Lied beschäftigen zu können: „Wahrlich, das ă und das î können wir nicht in Wien, nicht in Leipzig, nicht in Berlin und auch nicht in Italien singen lernen, nur in Bukarest und in Jassy.“ Seinem Chor hat er ein altes Sprichwort auf die Fahne geschrieben, das man seit Generationen kannte: „Ein stolzes Land ist das Banat, bei uns singt die ganze Nation“.

Durch die harte Durchgreifung der ungarischen Politik gegenüber der Kultur der Rumänen, Slaven und Deutschen, wuchs gleichzeitig der Widerstand in deren Reihen. Dabei wurden selbst rumänische Kirchenchöre nicht verschont. Ioan Vidu wurde Propaganda gegen die ungarische Politik vorgeworfen und kam 1916 in ein Gefängnis bei Sopron. In den folgenden zwei Jahren wird er sich im Gefängnis mit dem Komponieren geistlicher rumänischer Chormusik befassen. So entstand die Liturgie des Hl. Ioan Chrisostom für gemischten Chor, die erst 1930 bei Auspitz in Lugosch verlegt werden konnte. Trotzdem war diese Musik im ganzen Banat noch vor ihrer Drucklegung weit verbreitet. Im Vorwort schreibt er: „In tiefster Ehrfurcht ege ich diese Liturgie auf den Altar der Kirche des rumänischen Volkes, - zur Ehre Gottes! Zur Ehre Gottes, der die Flamme des Glaubens im Herzen dieses Volkes stets behütet hat. Zur Ehre Gottes, der die Söhne dieses Volkes zusammenführte „so wie die Henne ihre Kücken unter ihre Fittichen…“. Zur Ehre Gottes, der das Herz dieses Volkes erhöhte, dessen Heldentum das Land der Ahnen zurückerobert hat, das von Gesetzlosen geschändet wurde (…)“. Daraus ist die Haltung Vidus gegenüber der ungarischen und habsburgischen Staatsmacht bis 1919 deutlich spürbar.

In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg bekamen viele rumänische Chöre die harte Hand der ungarischen Regierung zu spüren. So wurde z.B. selbst die Fahen des berühmten rumänischen Bauernchores aus Chizatau aus der Kirche mit Gewalt entwendet, die gesamte Chorbibliothek wurde beschlagnahmt und selbst die Mitwirkung des Chores in der Kirche wurde untersagt. Die Frust Vidus gegenüber solchen staatlich verordneten Strafmaßnahmen ist deshalb verständlich. Zum Schluss seines Vorwortes zur Liturgie schreibt er: „Wir hatten nie das Bedürfnis etwas von anderen Völkern zu leihen, die viel später in unser Land kamen, um so mehr, da diese eine viel niedrigere Kultur als die die unserige hatten, also nicht wir von ihnen, sondern sie von uns diese übernahmen.“

Im Jahre 1918 wird er entlassen und kommt nach Lugosch zurück. In Kürze endet auch der erste Weltkrieg und durch den Vertrag von Trianon wird das Banat geteilt, was die meisten einheimischen rumänischen und deutschen Politiker sich keinesfalls wünschten.

Mit der Entstehung Großrumäniens konnte Vidu nun ungehindert seinen Traum verwirklichen: die Gründung eines Verbandes Rumänischer Chöre und Blaskapellen des Banats. Dieses Ereignis fand im September 1922 statt, nur ein Monat nach der Gründung es Banater Deutschen Sängerbundes. Ioan Vidu hatte 1903 in Temeswar und 1907 in Breslau die Gelegenheit bei großen nationalen Sängertreffen dabei zu sein, von wo er viele organisatorische und künstlerische Ideen nach Lugosch mitgebracht hat. Bereits 1906 teilte er Dumitru Kiriac in Bukarest seine Idee mit, der darauf antwortete: Die Idee ist lobenswert und wenn sie verwirklicht wird, leisten wir der rumänischen Musik einen großen Dienst; den Anfang müsst ihr Banater dort im Banat machen, im Land der Chormusik! Wir werden dann Eurem Beispiel folgen“.

Vidu erteilte bereits seit vielen Jahren verschiedene Kurse für angehende Chorleiter aus der Lugoscher Gegend und aus dem ganzen Banat. Mit seinem eigenen Chor gab er zahlreiche Konzerte, trat gemeinsam mit deutschen, serbischen oder ungarischen Chören bei Sängerfesten auf. Diese Einladungen wurden gegenseitig angenommen und auch befolgt. Mit der Gründung des Banater rumänischen Chorverbandes wurde eine nationale Chorbewegung ausgelöst. Doch der Mittelpunkt des rumänischen Chorgesangs blieb auch weiterhin Lugosch mit dem Chor Ioan Vidus.

 

Die Musik an der griechisch-katholischen Kathedrale

 

Durch die Bulle Apostolicum Ministerium von Papst Pius IX. vom 26. Nov. 1853 wurde die griechisch-katholische Diözese Lugosch gegründet, die sich auf dem Gebiet der Kreise Temesch, Karasch-Severin, Hunedoara, Arad und Alba erstreckt. Der erste Bischof war Alexandru Dobra (1853-1870). In der Zeitspanne 1948-1989 war die griechisch-katholische Kirche in Rumänien wie auch in anderen sozialistischen Staaten des damaligen Ostblocks verboten, das Eigentum teils verstaatlicht, teils der rumänisch-orthodoxen Kirche überlassen, Priester, Bischöfe und zahlreiche Gläubige gelangten in Gefängnisse oder starben den Märtyrertod. Erst nach 42 Jahren konnte durch den Sturz des Ceausescu-Regimes am 21. Januar 1990 die erste Messe in der Kathedrale von Lugosch gehalten werden.

Die bischöfliche Kathedralkirche zu Lugosch wurde in den Jahren 1853-1854 nach den Plänen des Architekte L. Oettinger erbaut. Die ursprüngliche Malerei stammte von Moritz Breyer aus Pest, in den Jahren 1929-1934 wurde das Innere der Kirche neu bemalt durch den Künstler Virgil Simionescu, ein Absolvent der Akademie der schönen Künste in München. Das gesamte Kunstwerk ist in neu-byzantinischem Stil ausgeführt. Die mächtige Kuppel der Kathedrale ziert kreisförmig der Reigen (rum. Hora) des Chores der himmlischen Heerscharen, ein in der byzantinischen Malerei einmaliges und äußerst gelungenes Kunstwerk.

Im Jahre 1871 wurde der Chor der griechisch-katholischen Kathedrale von Josef Czegka neu organisiert. Sicher ist, dass die Kirchenmusik an dieser Kathedrale bereits viele Jahrzehnte zuvor auch durch die Chormusik gepflegt wurde. Die Literatur war fast dieselbe wie jene des orthodoxen Kirchenchores, doch hat man auch zahlreiche a-capella-Chorwerke aus dem Repertoire der katholischen Kirchenmusik gesungen. Nachdem Czegka für einige Jahre als Dirigent des Rumänischen Gesang- und Musikverein tätig war, kam er 1896 wieder in dieser Funktion an die Kathedralkirche. In der Zwischenzeit wurde der Chor von Lenhard, Walker und Vasile Jivanka geleitet, der Letztere gründete auch einen Männerchor. Es folgte als Chorleiter Iosif Miclau, unter dessen Leitung man die Liturgie von Musicescu und Chöre von Ciprian Porumbescu und Liviu Tempea gesungen hat. Die nächsten Chorleiter waren: Ioan Ienea (1913), Aurel Popovici-Racovita, Ioan Bacau (ab 1919) und zum Schluss ab 1946 Octavian Bacau.

Wie es auch an der rumänisch-orthodoxen Kirche zu Lugosch Tradition war, gründete man an der griechisch-katholischen Kirche auch einen weltlichen Chor unter dem Namen Lyra-Chor, dessen erster Leiter ab 1873 Josef Czegka war. Vermutlich war dies gleichzeitig auch der Chor der Kathedrale. Da dieser Chor Vereinsmäßig organisiert war, wurden dafür auch eigene Statuten entworfen und veröffentlicht: Statutele Uniunii de Cant greco-catolic Lira.

Der bedeutendste Chorleiter war Ioan Bacau (1887-1946), der auch als griechisch-katholischer Priester, Musikprofessor und Komponist gewirkt hat. Das giechisch-katholische Lyzeum besuchte er in Beius, das Theologiestudium in Blaj/Blasendorf. Hier war er Schüler des berühmten Musikerpädagogen Iacob Muresianu. Nach der Entstehung Großrumäniens im Jahre 1919 ernannte ihn der damalige Kultusminister Valeriu Braniste als Musikprofessor an der Lugoscher Mädchenschule. Am 27. April 1919 gab er als Leiter des Lyra-Chores im Lugoscher Theater ein großes Konzert, bei welchem Kompositionen von Mascagni, Augustin Bena, Tiberiu Brediceanu, Iacob Muresianu, Händel, A. Castaldi erklangen. In der Gründungssitzung des Verbandes Banater Rumänischer Chöre und Blaskapellen vom 21. Sept. 1922 in Chizatau wurde er neben Ioan Vidu zum Vizepräsidenten ernannt. Ab Herbst des Jahres 1937 wirkte Ioan Bacau als Musiklehrer am theoretischen Lyzeum Coriolian Brediceanu in Lugosch. Mit seinem Lyra-Chor führte Bacau gleichzeitig auch rumänische Operetten auf, wie La sezatoare von Tiberiu Brediceanu, Crai Nou von C. Porumbescu, Baba Hârca von Alexander Flechtenmacher. Ioan Vidu sah in Ioan Bacau einen seiner begabtesten Schüler.

 

Die Lugoscher jüdische Gemeinde

 

In Lugosch lebten bereits im 17. Jh. jüdische Familien, sie waren die Nachkommen der aus Spanien vertriebenen sephardischen Juden. Später ließen sich hier auch Juden aus Mitteleuropa nieder, die dem ashkenazischen Zweig angehörten. Nach der Wiedereroberung des Banats durch das kaiserliche Heer begann ein wirtschaftlicher Aufschwung: auf der linken Seite der Temesch ließen sich nun Deutsche, Ungarn, Serben und auch Juden nieder. Im jahre 1733 lebten in Lugosch 46 jüdische Bürger an der Spitze mit ihrem Vorsteher Isaak Deutsch. Mangels einer Synagoge hielt man die Gottesdienste im Haus von Aaron Deutsch, doch dieses improvisierte Gebetshaus wurde in der Zeit des türkisch-österreichischen Krieges von 1736-1738 verwüstet und zerstört. Kaiserin Maria-Theresia hat 1776 alle Rechten und Pflichten in einer Juden-Ordnung für die gesamte „Bannatische Judenschaft“ gesetzlich festgelegt, die unter Joseph II. noch erweitert und mit mehreren Rechten ausgestattet wurde. 1780 wurde die neue jüdische Gemeinde zu Lugosch gegründet, zehn Jahre später wurde der Verein Hevra Kadischa ins Leben gerufen, der sich den sozialen Problemen gewidmet hat. Anfang des 19. Jh. bekommt die Gemeinde ihren ersten Rabbi in der Person des Zwi (Hirsch) Oppenheimer (1794-1859), der kurze Zeit später zum Oberrabbi des ganzen Banats ernannt wurde. Ab 1791 ersuchte man bei den Behörden um die Genehmigung für den Bau einer Synagoge und zwei Jahre später, 1793, konnte man diese in einem Innenhof errichten. Dieses Gebäude fiel 1842 einem Feuer zum Opfer, doch bereits 1843 konnte Rabbi Wolf-Steinschneider das neue Gebetshaus einweihen. Die meisten jüdischen Bürger bekannten sich zum neologen Zweig ihrer Gemeinde, für die orthodoxe Gruppe wurde ein eigenes kleineres Gebetshaus errichtet.

Im Jahre 1868, nachdem der österreich-ungarische Ausgleich zustande kam, gingen die meisten Mitglieder der jüdischen Gemeinde zum neologen Rytus über, der durch die Reformen von Moses Mendelssohn bereits im mitteleuropäischen Raum eingeführte wurde. Eine wichtige Rolle spielte dabei auch Oberrabbi Aaron Chorin aus Arad, der Ende des 18. bis in die erste Hälfte des 19. Jh. für 55 Jahre dort tätig war und ein Verfechter der neuen reformatorischen Bewegung war. Viele dieser Neuerungen standen in strengem Gegensatz zu den Lehren und Traditionen des bisherigen jüdischen Glaubens. In seiner Zeit wurde auch zum ersten Mal im Banat die Orgel in der Synagoge eingeführt.

Bis 1914 steigt die Zahl der Mitglieder der Lugoscher jüdischen Gemeinde stetig, so dass im Jahre 1914 die Höchstzahl in ihrer Geschichte von 1900 Seelen (9% der Lugoscher Gesamtbevölkerung) erreicht wurde. Ab diesem Jahr, besonder nach 1947, fiel deren Zahl ständig, im Jahre 2000 gab es nur noch 37 Gemeindemitglieder.

Die 1843 errichtete Synagoge wurde zum Beginn des 19. Jahrhundert vergrößert und renoviert, 1903 errichtete der Temeswarer Orgelbauer Carl Leopold Wegenstein darin eine neue pneumatische Orgel, die auch heute noch erhalten ist. Von dieser Orgelempore aus sang regelmäßig der Chor, zu dem nicht nur jüdische Sängerinnen und Sänger gehörten. Hier sangen auch Anton Weigand, Constantin und Traian Grosavescu, Cornelia Seracin, an der Orgel war Maria Abraham, Dr. Josef Willer und in den späteren Jahren Martin Metz, der Kantor der katholischen Pfarrkirche (Minoritenkirche) zu Lugosch.

Erst 1931 entstand in Lugosch der jüdische Chor Hazamir (Die Lerche), der seinerseits beispielgebend für die Gründung anderer ähnlicher Chöre war. Es war die Zeit der großen Chorbewegung im Banat, die von Lugosch ausgegangen ist, nachdem 1922 sowohl der Bund Banater Deutscher Sänger als auch der Verband Rumänischer Chöre und Blaskapellen gegründet wurde. Anscheinend bewirkte diese Entwicklung auch die Gründung jüdischer Chöre im Banat. Ob es davor einen Chorgesang in der Lugoscher Synagoge gegeben hat, ist nicht bekannt. Die ersten Chorleiter waren Franz Tietz, Filaret Barbu und Dr. Josef Willer. Nicht nur die Chorleiter, auch viele der Sänger waren keine Mitglieder der jüdischen Gemeinde, was eigentlich im Banat nichts Außergewöhnliches war. Auch in den anderen Chören der Stadt, wie im rumänisch-orthodoxen Vidu-Chor, im Gesang- und Musikverein der Deutschen und Ungarn oder im Gewerbegesangverein sangen viele Juden neben orthodoxen, katholischen, reformierten oder evangelischen Christen. Das Repertoire des Chores Hazamir bestand nicht nur aus Werken der Universalliteratur, sondern man sang auch Chöre von jüdischen Komponisten wie Lewandowski, Kárrász, Max Bruch, Rosensteck, Friedenthal, u.v.a. In einem Konzert sang man selbst den berühmten rumänischen Chor Ana Lugojana von Ioan Vidu mit hebräischem Text in der Übersetzung des I. Andermann: Bat haharim. In der Zwischenkriegszeit wurden auch Synagogenkonzerte veranstaltet, was dazu geführt hat, dass auch in Temeswar und Karansebesch jeweils Hazamir-Chöre ins Leben gerufen wurden. Der rumänische Komponist Filaret Barbu widmete dem Chor Hazamir einige Bearbeitungen: Zwei Lieder aus Palestina (1935), Orientalische Lieder und Jüdische Melodien (1936, Text von Rachel Schai und J. Milet).

Die Tageszeitung Banater Bote vom 10. Januar 1932 beschrieb ausführlich das gemeinsame Festkonzert mehrerer Lugoscher Chöre mit der Lugoscher Philharmonie, wobei der Chor Hazamir das große Halleluja von Lewandowski unter Franz Tietz gesungen hat. Auch nach dem Konzert vom 7. Mai 1932 brachten die Zeitungen Banater Bote, Krassó Szörenyi Lapók und Lugoscher Zeitung lange Berichte über den großen Erfolg des Chordes wie auch des eigenen Orchesters.

Moritz Kisinovski bewarb sich 1912 für die Kantorstelle, nach einem Jahr wurde ihm aber der Vetrag nicht mehr verlängert. Nach ihm folgte für eine längere Zeit Josef ben Simon Friedmann (1870-1952). Im Jahre 1924 wirkte als Kantor Salomon Katz, der auch in Temeswar in vielen Konzerten des Philharmonischen Vereins als Tenorsolist auftrat. Eine der bedeutendsten Lugoscher Musikerpersönlichkeiten in der ersten Hälfte des 20. Jh. war Geza Czitrom (1910-1980), der hier 25 Jahre als Oberkantor tätig war. Er trat in vielen Synagogenkonzerte als Solist auf und wirkte nach seinem Weggang nach Klausenburg an der Ungarischen Oper. Der letzte Kantor der Lugoscher jüdischen Gemeinde war Meniusz Gross (1882-1962), der eine sehr schöne Baritonstimme besaß.

Aus Lugosch stammte auch der Oberkantor der Nachbarstadt Karansebesch, Adolf Adler (geb. um 1852). Schon in seiner frühesten Jugend legte er ein außerordentliches musikalisches Talent an den Tag, seine Ausbildung genoss er an der Budapester Akademie. Danach war er 5 Jahre lang in Ofen und zwei Jahre in Eperjesch als Kantor tätig und gelangte dann nach Karansebes, wo man ihn 1927 anlässlich seines 75. Geburtstags und 50-jährigen Dienstjubiläums gefeiert hat.

Der bekannte Komponist György Kurtág kam 1926 in Lugosch zur Welt und bekam hier auch seinen ersten Musikunterricht. 1936 erscheint im Lugoscher Verlag Kiriat Sefer das Buch in ungarischer Sprache Dávid éneke [Gesänge Davids] von János Giszkalay. Während des 12. Kongresses des Verbandes der Jüdischen Gemeinden des Banats und Siebenbürgens fand in der Lugoscher Synagoge am 1. Juni 1936 ein außergewöhnliches Konzert statt, das vom Oberkantor Geza Czitrom mit Orgelbegleitung bestritten wurde.

Viele Sängerinnen und Sänger der Banater Synagogenchöre waren katholischen Glaubens und so manche Mitglieder katholischer Kirchenchöre waren Juden. In Lugosch sang z.B. der später berühmt gewordene Opernsänger Traian Grozavescu als orthodoxer Christ sowohl im katholischen Kirchenchor als auch im Synagogenchor Tenor. Hier in den Lugoscher Gotteshäusern fanden seine ersten öffentlichen Auftritte als Sänger statt.

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde nicht nur für die deutsche Minderheit Rumäniens eine Zeit der Entscheidung über ihre Existenz, sondern auch für die vielen jüdischen Gemeinden dieses Landes. Viele Banater Schwaben wurden ab Januar 1945 in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit deportiert, wo Tausende den Tod fanden. Viele Menschen wurden nach der Machtergreifung durch die Kommunisten wegen ihrer Zugehörigkeit zur katholischen Kirche verfolgt, Priester und Bischöfe wurden in Gefängnisse geworfen, einige erlitten hier den Märtyrertod. In der Sitzung des politischen Büros des Zentralkommitees der Rumänischen Arbeiterpartei vom 14. Januar 1953 wurden auch drastische Maßnahmen gegen jüdische Gemeinden vorgenommen. Iosif Chisinevschi sagte: "...So wie wir kein Mitleid für die spionierenden katholischen Priester haben, so sollten wir auch kein Mitleid für Rabbis und Kantoren haben... Die Talmudschulen müssten geschlossen werden... dort schon immer wird eine chauvinistische brutale Erziehung gepflegt." Durch die folgenden politischen Restriktionen und die religiöse Intoleranz der kommunistischen Herrschaft verließen nicht nur deutsche sondern auch jüdische Bürger Rumänien.

Die jüdische Musikkultur hatte nach 1948 durch die fehlenden kulturellen Einrichtungen und die alternden Gemeinden keine Überlebenschance mehr. Selbst das Orgelspiel und der Gesang in den Gottesdiensten wurde in vielen Gemeinden durch katholische Kantoren ausgeführt, wie es in Arad, Lugosch, Temeswar, Karansebesch und Reschitza der Fall war.

In der katholischen Pfarrkirche zu Neuarad konnte eine ganze Mappe mit Chören und Gesängen für den jüdischen Gottesdienst und für weltliche Feste entdeckt werden, die von Kantorlehrer Franz Tietz aus Lugosch stammt. Viele dieser Vokalwerke wurden von Banater Musikern komponiert, so auch das Stück Adon Olom von Karl Rudolf Kárrász aus Temeswar. Diese Mappe enthält viele Werke, die nach den jüdischen Festtagen geordnet und auch oft benannt sind. Bei den meisten Werken ist der Name des Komponisten nicht angegeben. Sämtliche Abschriften stammen aber aus der Hand von Franz Tietz aus Lugosch, der diese geistlichen Werke, wie angegeben, aus Lugoscher und Karansebescher Quellen abgeschrieben hat. Das folgende Verzeichnis enthält nur jene Werke dieser Lugoscher Sammlung, deren Komponist angegeben ist:

    J. Rosenstech: Halleluja, für gemischten Chor a capella

    Ost-jüdisches Volkslied, gesetzt für gemischten Chor von Leon Erdstein

    Felix Mendelssohn-Bartholdy: Die Primel, nach dem Gedicht des Banater Dichters Nikolaus Lenau, für gemischten Chor, der Text wurde von Dr. J. Bierer ins Hebräische übersetzt

    M. Goldstein: Lechodódi, für Kantor, gemischten Chor und Orgel

    Sulzer: Lehododi, für Kantor, gemischten Chor und Orgel

    Bumenthal: L´cho dodi lisz´firah für die Trauerwoche, harmonisiert von Peter König (Király Péter)

    Naumbourg: Adonaj moloch, für gemischten Chor

    J. L. Weiss: Adonaj moloch, für gemischten Chor und Orgel

    J. Schlesinger: Haschkiwenu (Freitag Abend), für Kantor, Orgel (auch Teile für Orgel-Solo) und Chor

    Adolf Adler: Haschkiwenu (1919), für Kantor, Soli und Chor

    P. Menkowsky: Haschkiwenu, für Kantor, Sopran-Solo und Chor

    S. Allmann: Uvecél Kenofecho, für Kantor und Chor

    Jakobovits: Haskivenu, für Kantor, Chor und Orgel

    L. Lewandowski: W´hogen baadenu, für Kantor, Chor und Orgel

    Emile Jonas: V´somru, für Kantor, Chor und Orgel

    Dvorzán: Vesomru, für Kantor und Orgel

    S. Katz: Weschomru, für Kantor und Orgel

    Gottschall: Weschomru, für Kantor, Chor und Orgel

    J. Keller: Mogén Owosz, für Kantor, Chor und Orgel

    Jakobovits: Elóhénu, für Kantor und Orgel

    Weiszmann: Mogen Owosz, bearbeitet von Samuel Katz, für Kantor und Chor

    Jakobovits: Kidusch, für Kantor, Chor und Orgel

    Lewandowsky: Kidusch, für Kantor, Chor und Orgel

    L. Lewandowsky: Enkelohem, für Soli und Chor

    M. Jeiteles: Keduscha (für Samstag), für Kantor, Chor und Orgel

    M. Kohn: Kedusch, für Kantor und Chor

    Jenö Fürth: K´duscho, für Solist und Orgel

    Adolf Adler: K´duscho, für Kantor und Chor

    S. Katz: Ihi róczon, für Kantor und Orgel

    Jenö Fürth: Ihi rozon, für Kantor und Chor

    S. Sulzer: Mi scheoszo (Neumond Segen), für Kantor, Chor und Orgel

    Franz Tietz: Praeludium für die Orgel, während der Rückführung der Thora

    Josef Sulzer: En komocho, für Kantor und Chor

    B. Schorr: Kidus l´ros hasónó, für Kantor, Chor und Orgel

    Schorr Mór: Semini aceresz, festliche Ouvertüre

    L. Lewandowsky: Jigdal, für Kantor, Chor und Orgel

    Schorr Mór: Peszáh, festliches Vorspiel, für Solist und Chor

    M. Schorr: Najtlim, für Alt-Solo, Chor und Orgel

    Schorr Mór: Tovijjo lamórom óló, für Sopran-Alt-Duett und Chor

    L. Lewandowsky: Kol nidre, für Kantor, Chor und Orgel

    F. Halévy, Naumbourg: Minhamécár, für Kantor, Chor und Orgel

    Sulzer: Mi addir, für Kantor, Chor und Orgel

    Lewandowsky: Ma towu, für Kantor, Chor und Orgel

    Oberkantor Brun: Mo uschiw, für Kantor, Chor und Orgel

    Lewandowsky: Schiviszi, für Chor und Orgel

    Grünzweig: Schiviszi, für Chor und Orgel

    Nowakowsky: Psalm 55, für Männerchor

    Lowenstaum: Adonaj moh odom, für gemischten Chor

    S. Katz: Ono Adonaj, für Kantor, Chor und Orgel

    El. Friedmann: Hajom harasz olom, für Kantor, Chor und Orgel

    Sal. Katz: Meloch al kol hoolom, für Kantor, Chor und Orgel

    M. Stössl: Ki ke schimcho, für Kantor, Chor und Orgel

    S. Sulzer: Keduscha, für Kantor, Chor und Orgel

    M. Goldstein: Uwechen jiskadasch, für gemischten Chor

    S. Sulzer: Berosch haschomo, für Kantor, Chor und Orgel

    S. Naumbourg: Boruch attoh (in alter Weise), für Kantor, Chor und Orgel

    Josef Sulzer: En comocho, für Kantor, Chor und Orgel

    Gottschál: Reczé, für Orgel und Kantor

    Dunajewsky: Weschomru, für Kantor, Chor und Orgel

    Berggruen: Mogen owos, für Kantor, Chor und Orgel

Im Archiv des Temeswarer Philharmonischen Vereins befinden sich mehrere Bearbeitungen des Lugoscher Komponist Emmerich Schwach von jüdischen geistlichen und weltlichen Gesängen: Sechs jüdische Lieder für Orchester und Gesang, nach jüdischen Motiven; Jüdische original Musik, Adonoj moloch, Eli Ciou, für großes Orchester, datiert „1930, XII“.

 

Evangelische Kirchenmusik

 

Zum Beginn des 20. Jh. wirkte Robert Koch nebenamtlich als Organist an der evangelischen Kirche in Lugosch. Nach 1938 ging er nach Wien. Die Gemeinde selbst gehörte zu den kleineren Kirchengemeinden der Stadt und besitzt auch heute noch ein kleines Kirchlein mit einer pneumatischen Kleinorgel. Administrativ gehörte die Lugoscher evangelische Kirche zur Evangelischen Landeskirche A. B. mit dem Bischofsitz in Hermannstadt.

Die Orgel war ein premiertes Ausstellungsstück der Budapester Firma Oszág Sándor und hatte folgende Disposition: im Manual Bourdon 8´, Gamba 8´, Fuvola 4´, Mixtur III 2 2/3´; im Pedal Subbass 16´ und eine Pedalkoppel.

Die evangelische Gemeinde hatte keinen eigenen Chor, die Mitglieder waren aber in den anderen Kirchenchören und weltlichen Chören der Stadt gut vertreten.

 

Reformierte Kirchenmusik

 

Obzwar die Mehrheit der im Banat lebenden Ungarn der römisch-katholischen Konfession angehören, gibt es auch zahlreiche kleinere reformierte ungarische Kirchengemeiden. Diese Gemeinde konnte sich Ende des 19. Jh. am linken Temeschufer eine stattliche Kirche erbauen, in der eine kleine pneumatische Wegenstein-Orgel mit folgender Disposition aufgestellt wurde: im Manual Principal 8´, Bourdon 8´, Salicional 8´, Gamba 8´, Traversa Fuvola 4´, im Pedal Subbass 16´, als Koppeln und Spielhilfen Octav-Copula, Pedal-Copula, Sub Octav-Copula, Fixe Kombinationen: p, mf, Tutti.

 

Vortrag bei der Konferenz “Stadtmusikgeschichte in Mittel- und Osteuropa. Die Musik der Religionsgemeinschaften um 1900”

Universität Leipzig, Institut für Musikwissenschaft, 5.-6. November 2004

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2004

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