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EDITION MUSIK SÜDOST

Jakob Leh und die katholische Kirchenmusik in Neusatz / Novi Sad

Von Dr. Franz Metz

 

Die Korrespondenz von Paul und Jakob Leh mit Regensburg

 

Wichtige Dokumente für die kirchenmusikalische Praxis in den donauschwäbischen Siedlungsgebieten sind die uns erhaltenen Briefe der beiden Gesangbuchautoren Paul und Jakob Leh aus Neuwerbass und Neusatz an die Kirchenmusikschule bzw. Redaktion der Kirchenmusikzeitschrift Musica Sacra in Regensburg. Diese belegen den regen Kontakt deutscher Gemeinden Südosteuropas mit den wichtigen deutschen Kirchenmusikzentren wie auch die Bestrebungen vieler donauschwäbischer Kirchenmusiker ihr Wirken stets den aktuellen Erfordernissen (und dem Zeitgeist) anzupassen. Besonders Regensburg spielte in der Zeit des Cäcilianismus eine wichtige Rolle in der Schulung zahlreicher Kirchenmusiker aus südosteuropäischen Diözesen wie Tschanad (Temeswar), Sathmar, Fünfkirchen, u.a. In all diesen mit Donauschwaben bewohnten Regionen waren die kirchenmusikalischen Schriften des Cäcilianismus gut bekannt und selbst in abgelegenen deutschen Dörfern gab es Kantorlehrer, die die Zeitschrift Musica Sacra regelmäßig liesten. So auch Jakob Leh aus Neuwerbass (damals Jugoslawien), der sich 1895 mit folgendem Schreiben an die Redaktion wendete:

 

Löbliche Redaktion der „Musica Sacra“

Regensburg

In einer Nr. des 1890. Jahrgangs der „Musica Sacra“ erschien ein […] Vortrag über Gesang-Vereine, und da selber in jener Nr. welche ich besitze nicht enthalten ist, müsste er nothwendig in den mir fehlenden Nr. 4, 8 oder 10 erschienen sein. Durch Ihre freundl. Zuvorkommenheit bin ich bereits in Besitz der Nr. 4 & 8 gelangt, in diesen ist er jedoch auch nicht, was ich suche, so kann benannter Artikel nur in Nr. 10, welche – wie Sie mich früher verständigten nicht mehr zu haben ist – erschienen sein. Da ich blos um in Besitz erwähnten Vortrags zu gelangen die mir bisher fehlenden Nr. nachbestellte, und doch meinen Wunsch nicht erreichte, bitte ich Sie, mir erwähnte Nr. - wenn auch nur teilweise – vielleicht von einem Freund Ihres gesch. Blattes zukommen zu lassen.

Meinen besten Dank für die bisher gehabte Mühe.

Achtungsvoll,

Paul Leh,

Lehrer & Organist

Neuverbász, 19.I.1895

Ungarn

 

Auch dessen Sohn, Jakob Leh, wandte sich in zwei Schreiben (1940 und 1942) aus Neusatz / Novi Sad (Jugoslawien) an den damaligen Direktor der Regensburger Kirchenmusikschule, Dr. Ferdinand Haberl. Der erste Brief vom 2. April 1940:

 

An die löbliche Leitung der Kirchenmusikschule in Regensburg

Hochwürdiger Herr Direktor!

In folgender Angelegenheit komme ich mit einer Bitte.

In meinem Leben kam es manchesmal vor, dass ich in kirchenmusikalischen Dingen vor einem Dilemma stand. An solchen Tagen wendete ich mich stets an kompetente Herren, welche mir stets mit Rat und Tat beistanden. So schrieb ich 1886 an Dr. F. X. Witt nach Landshut (in einem langen Brief antwortete er mir), 1900 an Dr. F. X. Haberl, welcher vom 10.VII.-16.VII. in Wien einen kirchenmusikalischen Kurs abhielt, an dem ich beiwohnte und mit ihm persönlich sprach. Stets erhielt ich die nötige Aufklärung.

So komme ich jetzt zu Ihnen, und ersuche um Ihren Rat. (Näheres von meinem Wirken ist in der „Musica Sacra“ Dezember 1933 u. 1934 unter „Männer der katholischen Kirchenmusik“ zu lesen.)

Seit 47 Jahren trachtete ich die kirchenmusikalischen Vorschriften einzuhalten und im Cäcilianischen Geiste zu wirken.

Jetzt bildete sich hier in Novi Sad (Neusatz) ein aus Dilettanten bestehendes kleines Orchester (Kammermusik). Bevor ich weitergehe, möge folgendes bemerkt werden. An jedem Sonn- und Feiertage sind in der hiesigen Pfarrkirche 7 Messen: 5 mit Gesang und Orgel, 2 ohne Gesang u. Orgel (6 Uhr früh und vormittag 11 Uhr). Das erwähnte kleine Orchester will nun in der stillen 11-Uhr-Messe (monatlich 1-2-mal) spielen. U. zw. Quartette von Beethoven, Mozart etc. Auch manchesmal Sologesänge, Ave Maria etc. mit Orchester etc. aufführen. Da es heißt: alles, was an weltliche Musik erinnert ist verboten, war ich bei der Besprechung gegen die Quartette von Beethoven u. Mozart etc. und bemerkte: ich werde mich in dieser Angelegenheit an kompetente Herren wenden, damit diese im kirchlichen Geiste geschriebene Werke empfehlen mögen.

Ersuche daher, mögen Sie gütigst im kirchlichen Style geschriebene Werke (für Kammermusik) empfehlen (mit oder ohne Orgel), welche in der stillen Messe, oder beim Schluss der Maiandachten vorgetragen werden können. Diese Werke werde ich dann von Pustet oder Ant. Böhm & Sohn, Wien, bringen lassen (eventuell könnte Pustet solche Werke zur Ansicht mir zusenden).

Empfangen Sie für Ihre Güte im Vorhinein meinen innigsten Dank.

Mit Hochachtung,

Jakob Leh, Regenschori

Novi Sad, am 2. April 1940

 

Der zweite Brief vom 4. September 1942:

 

Hochwürdiger Herr Direktor!

Vor 3-4 Jahren kam ich und bat Ihren Rat. Im Sinne Ihrer Antwort wurde die Angelegenheit geregelt. Der damalige Dirigent jenes Quartettes ist nicht mehr hier u. so ist alles in Ordnung. Empfangen Sie noch einmal für Ihren Rat meinen innigsten Dank.

Jetzt komme ich in einer anderen Angelegenheit mit einer Bitte.

Am 15. August 1943 feierte der hiesige Cäcilien-Verein das 50-jährige Jubiläum seines Bestehens. Am 15.VIII.1893 sang unter meiner Leitung der Chor zum erstenmal. Auf die Aufforderung Dr. Fr. X. Witt gründete ich damals den Cäcilien-Verein. Haller M. „Missa tertia“ (2-stimm. Frauenchor) kam zur Aufführung.

Am Abend (15.VIII.1943) kommen mehrere Chöre zur Aufführung. Bei dieser Gelegenheit wollen wir zu Ehren der hl. Cäcilia einen schönen Chor singen. Eine Hymne zur Ehren der hl. Cäcilia. Nicht zu lange und nicht zu schwer; aber trotzdem schön u. eindrucksvoll.

Es kann dies ein Frauenchor, oder ein gemischter oder Männerchor sein. Der Text kann lateinisch oder deutsch sein.

Bitte auf einer Postkarte zu empfehlen u. dann werde ich die Partitur oder Partituren durch Pustet bestellen. Am liebsten wäre mir ein gemischt. oder Frauenchor.

Empfangen Ew. Hochw. für Ihre Güte im Vorhinein meinen innigsten Dank.

Mit Hochachtung, Ihr ergebener

Jakob Léh, Chorregent

Ujvidék, 4. September 1942

NB. Vor 2 Jahren sprach ich mit Vidakovich. Vor einigen Jahren war er mit Ew. Hochw. in Rom.

 

Der Altmeister katholischer Kirchenmusik in Jugoslawien

von St. Preprek, Novi Sad (Petrovaradin)

(Erschienen in der Zeitschrift Musica Sacra, Regensburg, 1933, 63. Jg., S. 268-270, in der Rubrik: Männer der Kirchenmusik)

 

Jakob Leh wurde im Jahre 1864 in Filipovo geboren. Sein Vater, ein angesehener Handwerker und Präses der Gewerbe-Korporation, ließ seine beiden älteren Söhne weiter auf Studien. In demselben Orte lernten sie Musik beim Lehrer Turnowsky. Eine ganze Generation Turnowsky waren Lehrer und erteilten den begabten Schülern Unterricht in der Musik (Gesang, Violine, Klavier und Orgel) und immer stets auf praktischen Grundlagen.

In seinem neunten Jahre verlor der junge Jakob seinen Vater. Seine Mutter aber, als sie sah, dass er eine große Liebe zur Musik und zum Lernen hegte, ließ auch ihn bei Turnovsky den Musikunterricht genießen. Hier lernte er Violine, Klavier und Orgel und sang mit anderen musikstudierenden Knaben in der Kirche. Turnowsky nahm sich des begabten Jünglings tüchtig an. Später besuchte er die Lehreranstalt in Kalocsa (Ungarn), welche er mit vorzüglichem Erfolg beendete und wurde als junger Lehrer in seinem Geburtsorte Filipovo angestellt.

In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts pflegte man in der Kalocsaer Diözese sehr wenig von der wahren Kirchenmusik. Mit wenigen Ausnahmen wurden gewöhnlich Messen von Schiedermayer und Führer aufgeführt, Messen, sehr entfernt von der echten Kirchenmusik. Gloria und Credo wurden stets gekürzt, wie man es auch heute leider noch mancherorts entdecken könnte. Auf die veränderlichen Teile der Messe legte man überhaupt kein Augenmerk. sondern führte statt ihrer verschiedene andere kirchliche und auch unkirchliche Lieder und Gesänge auf. Ein Bild, wie man ein solches damals auch in der späteren Zeit und vielleicht auch heute noch recht oft und in vielen Ortschaften und Gegenden finden könnte.

Von früher Jugend an fühlte sich der junge Leh besonders von der Kirchenmusik angezogen. In der Katholischen Schulzeitung las er viele gute und interessante Artikel über Kirchenmusik. Zuerst verstand er sie nicht recht gut, denn er dachte, jene Messen, die er als Knabe zu singen mithalf, waren die einzige richtige Kirchenmusik. Um ein klares Bild über die wirkliche Kirchenmusik zu gewinnen, wendete er sich im Jahre 1886 an die Schriftleitung der genannten Zeitschrift mit der Anfrage: „Was ist wahre Kirchenmusik“, worauf ihm geantwortet wurde, er wende sich an den Präses des Deutschen C.-V., den Herrn Dr. F. X. Witt, was er auch tat. Witt antwortete ihm sofort und sendete gleichzeitig eine große Auswahl von verschiedenen Kirchenmusikzeitschriften. Die Wirkung war ungemein groß. Durch die Vermittlung Witts erwarb sich der junge Kantor schöne Beziehungen zu den angesehensten Männern der Kirchenmusik. wie z. B. Dr. Haberl und später zu seinem Nachfolger Weinmann. Er machte Bekanntschaft mit Stehle und Filke und mit dem Benediktinerpater Michael Horn und noch mit mehreren anderen, mit denen ihn ein stetiger Briefwechsel verband. In Novi Sad, wohin er als Lehrer versetzt war, gründete er im Jahre 1893 den Kirchenchor Cäcilia und blieb sein Chorleiter bis zum heutigen Tage, unermüdlich arbeitend an der Einführung des Chorals (damals noch des medicäischen und seit 1907 des vatikanischen); viele neue Messen und Motetten sind eingeführt worden, teils mit Orchester, teils mit Orgelbegleitung, teils a cappella. Daneben verrichtete er (und er tut´s, gottlob, ganz rüstig auch heute noch) täglich Orgeldienst, sang dabei oft ganz allein, manchmal auch 2-3 Messen täglich.

Außerdem war er eine Zeitlang Chorleiter des ungarischen und auch des deutschen Gesangvereines (Frohsinn). Neben aller dieser ermüdenden und anstrengenden Arbeit fand er noch Zeit dazu, sich an dem Plane der Budapester Musikakademie für die Dirigentenprüfung vorzubereiten, die er auch absolvierte und dadurch befähigt wurde im Novi Sader Gymnasium als Professor der Musik und des Gesanges zu wirken, wo er tatsächlich 20 Jahre, von 1898 bis 1918 auch wirkte. Da er aber eine zahlreiche Familie hatte, musste er noch dazu Gesang-, Klavier- und Violinstunden erteilen, so dass er sich vom frühen Morgen bis zum späten Abend in einer fortwährenden intensiven Tätigkeit befand.

Im Jahre 1900 wohnte er dem kirchenmusikalischen Kurse in Wien bei und im Jahre 1907 sehen wir ihn in der berühmten Benediktinerabtei Seckau, wo sich ihm endlich die Gelegenheit bot, jenem herrlichen Choralgesang lauschen zu dürfen und wo er auch dem Choralkurse beiwohnte. Im Jahre 1910 ging er nach Prag, um dort in dem Benediktinerkloster Emaus als Mitglied einer 300-köpfigen Zuhörerschaft den Vorträgen über den Choralgesang des vorzüglichen Choralkenners Abt Schachleiter beizuwohnen. Es bot sich ihm auch eine Gelegenheit, die ewige Stadt zu besuchen, um dort die berühmten Chöre zu hören.

Er wurde regelmäßig zu den Kantorprüfungen berufen, wo er von den Kandidaten stets Choralkenntnis forderte und besonders Wert auf das fehlerlose Respondieren bei der Messe (feierlich und ferial) legte. Ebenso wurde er zu den Orgelübernahmen in der ganzen Umgebung berufen. Darum können wir ihn ganz getrost als den einzigen Fachmann in allen kirchenmusikalischen Fragen für diese Gegend nennen.

Diese vielverzweigte Tätigkeit auf den verschiedenen Gebieten der kirchlichen und weltlichen Musik brachte in diesen langen Jahren reife Früchte: für seine persönliche Entwicklung als Komponisten, war sie leider zu hemmend. Im Jahre 1905 komponierte er Ego sum pastor bonus für Bass-Solo und Chor und Veni Sanctc Spiritus für gemischten Chor, welches im Jahre 1908 bei der Firmung von 300 Sängern mit Bläserorchester aufgeführt wurde. Außerdem komponierte er eine vierstimmige Messe, Te Deum, Stabat mater, eine Vesper und ein Herz-Jesu-Lied. Bemerkenswert ist eine Gelegenheitskomposition Ad multos annos (komponiert für die Installation des Pfarrers Dr. Amon im Jahre 1905) und Offertorium für den Pfingstmontag Intonuit de coelo.

Auch auf dem Gebiete der weltlichen Musik komponierte er für die Tragödie des Menschen von Madach einen Chor der Engel (Frauenchor mit Harfenbegleitung) mit einem Vorspiel (Streichquartett mit Glockenspiel), weiter ein Melodram und mehrere Lieder.

Für die Kirchenmusik hat er auch mehrere Artikel in verschiedenen Kirchenmusikzeitschriften erscheinen lassen, von denen manche wie z. B. Vom Gesangunterricht, „Die Übernahme von neuerbauten Orgeln allgemeines Aufsehen erregten. Als ein guter Musikpädagoge sorgte er für den Volksgesang; da es anfangs an guten Gesangbüchern mangelte, verfasste er und gab im Jahre 1897 das Gesangbuch Jubilate Deo und im Jahre 1925 unter dem Titel Laudate Dominum mit 440 Liedern ein deutsches Gesangbuch (mit Noten) heraus. Es gibt hier heute kaum einen deutschen Ort, wo dieses Gesangbuch nicht zu finden wäre. Auch im Auslande (Amerika) fand dieses Gesangbuch Interesse. Im Jahre 1897 hielt Leh in der Aula der Budapester Universität den Vortrag Über die Instrumentalmusik in der Kirche und ein Jahr später in Gran Über die Gründung der Cäcilien-Vereine mit großem Beifall seitens der Zuhörer und der Presse.

Recht gerne erinnert er sich seiner kirchenmusikalischen Ausflüge, von denen er die meisten Anregungen für seine Tätigkeit bekam. In Rom hörte er die Sixtinische Kapelle und andere römische Chöre, in Wien hörte er den Peterlini-Knaben-Chor, in Seckau den herrlichen Choralgesang, in Prag den vorbildlichen Vortrag der klassischen Meister (Palestrina, da Vittoria, u.a.) durch den Regensburger Domchor, wie durch den berühmten Orgelkünstler Max Springer. Schon im Jahre 1907 sang sein Kirchenchor in Novi Sad die Choralmesse de Angelis nach der Vaticana, in der Zeit, wo viele in diesen Gegenden noch nicht von der Existenz der Medicaea (von der Vaticana ganz zu schweigen) wussten.

Durch das Wirken auf dem Gebiete der Kirchenmusik erwarb sich Jakob Leh großes Ansehen. Das bestätigt am besten seine Berufung nach Kalocsa als Regenschori der Domkirche im Jahre 1914. Eine Auszeichnung ersten Ranges. Ein Jahr später wurde ihm die Stelle des Musikprofessors an der dortigen Präparandie angeboten. Aber Leh lehnte dies alles ab. Er war schon derart mit der Novi Sader Kirchengemeinde verwachsen, dass er nicht mehr Novi Sad verlassen wollte, um damit seine 20-jährige Arbeit dem glücklichen oder vielmehr unglücklichen Zufalle zu überlassen. Dieser Fall zeugt am schönsten von seiner edlen Charakterfestigkeit.

Jakob Leh kann ganz getrost einen Rückblick auf seine bisherige Tätigkeit werfen. Seine Arbeit ist enorm groß: 55 Jahre Organistendienst, 40 Jahre des Lehrerberufs und 20 Jahre des Musik- und Gesangunterrichts im Gymnasium, das sind fürwahr schöne Zahlen. Sie sprechen viel, denn es gibt sehr wenige, welche sich mit so hohen Zahlen rühmen könnten. (Halb im Scherz, halb im Ernst zeigte er mir seine Berechnungen, laut welchen er während seines Organistendienstes in ca. 26.000 Messen und anderen liturgischen Begebenheiten 34.000 Mal die Orgel spielte).

Ernst, festen und ruhigen Charakters, gerade, würdevoll, ein vorbildlicher Katholik, kann er uns allen als Beispiel eines opferwilligen Dienstes der Kirche und der Kirchenmusik dienen. Gebe Gott, dass er noch viele Jahre so rüstig und mutig auf diesem, hier nicht so viel gepflegten Gebiete weiterschaffe und uns noch manche Unbekannte Schönheiten der Musica Sacra erschließe.

 

VON KATHOLISCHER KIRCHENMUSIK IN JUGOSLAWIEN

Von St. Preprek, Novi Sad / Neusatz (Petrovaradin / Peterwardein)

Musica Sacra, 64. Jg., 1934

 

Der Kirchenchor Cäcilia in Novi Sad (Jugoslawien) feierte am 26. und 27. August 1933 das 40jährige Bestehen und Wirken im kirchenmusikalischen Sinne in der Stadt Novi Sad, wie auch in der ganzen Umgebung. Denn seine kirchenmusikalische Tätigkeit seit seiner Gründung im Jahre 1893 war das einzige Licht einer wahren Kirchenmusik in diesen Gegenden, das seine fruchtbringenden Schatten weit um sich sendete und im erzieherischen Sinne zum Verständnis der echten liturgischen Kirchenmusik und zwar in erster Linie - was sehr wichtig ist - des gregorianischen Chorals, mithalf.

Die meisten, wenn nicht vielleicht die einzigen Verdienste für die Gründung, für das Aufrechterhalten durch diese vielen, oft sehr verhängnisvollen Jahre, wie auch für das stetige Vorwärtskommen im unermüdlichen Eifer, seinem lichten Gipfelpunkte zu, gebührt seinem Gründer, seinem ersten und bis jetzt einzigen Chorleiter Jakob Leh, Regenschori des Domes in Novi Sad.

Am 1. Dezember 1892 spielte Jakob Leh zum ersten Male die Orgel in Novi Sad. Im Jahre 1893 gründete er den Kirchenchor Cäcilia und trat mit ihm zum ersten Male am Festtage Maria Himmelfahrt desselben Jahres auf. Dieser Tag gilt daher als Gründungsdatum. Dem Chore traten die Töchter aus den vornehmsten Familien bei. Es wurde mit ernster Arbeit fortgesetzt und in kurzer Zeit ein schönes Repertoire von Werken Witts, Stehles und Filkes geschaffen.

Erster größerer und entscheidender Auftritt war am 21. Oktober 1895 im Anlasse der Einweihung des neuen Domes. Es wurde aufgeführt: eine der schönsten Messen, die Rheinberger´sche Messe, C-Dur (op. 169) mit Orchester. Vor 38 Jahren war die Aufführung einer solchen Messe eine Tat ersten Ranges. Im Jahre 1896 sang die Cäcilia bei der Firmung 4-, 7- und 8-stimmige Motetten und besonders zu betonen ist der öffentliche Auftritt bei der Installation des Pfarrers Dr. Amon. Während der Firmung im Jahre 1908 (als auch ein 300-köpfiger Chor auftrat) zeichnete sich Cäcilia derart aus, dass der anwesende Erzbischof Varossy seine höchste Anerkennung dem Chore und seinem Chorleiter mit warmen und begeisterten Worten aussprach und sie reichlich belohnte. Auch auf den folgenden Firmungen (1912 und 1918) bewahrte der Chor seine glänzende Reputation. Die Firmungen waren in Novi Sad die besonderen Begebenheiten, wo der Chor Gelegenheit hatte vor der breiten Öffentlichkeit, wie auch vor den höheren Kirchenkreisen periodisch seinen ständigen Fortschritt zu zeigen.

Am schönsten aber dokumentierte er sein ganzes Schaffen und Streben wie auch seinen hohen künstlerischen Stand mit der Veranstaltung der Feier seines 40-jährigen Bestehens, woraus noch ein schöner Zug hervorleuchtete: die Organisation des Festes.

Auch in den außerkirchlichen Veranstaltungen bewahrte der Chor stets den Kirchencharakter. So z. B. anlässlich des Jubiläumstages der Erklärung der Unbefleckten Empfängnis Marias, den 8. November 1904, führte Cäcilia mit großem Erfolge mehrere Motetten auf. Am Tage der heiligen Elisabeth im Jahre 1901 veranstaltete Cäcilia mit anderen weltlichen Chören Novi Sads ein großes Konzert mit Teilen aus Liszts Oratorium Heilige Elisabeth. Diese Feier bekam ein besonderes Gepräge durch die Anwesenheit und Mitwirkung des Kaplans aus Fatog, Nicolaus Almassy, eines ehemaligen Liszt-Schülers.

Auch bei allen anderen kulturellen Anlässen wirkte Cäcilia stets mit großem Erfolge mit. Durch die 40 Jahre übte der Chor 26 neue Messen ein und zwar: die 8., 9., und 18. Choralmesse, Choralrequiem (von dem Jahre 1901 bis jetzt wohl über 100mal gesungen); weiter Messen von Stehle, Mitterer, Filke, Schweitzer, Witt, Rheinberger, Haller, Gruber, Beltjens, Kagerer, Ravanello, Zeller, Griesbacher, Goller u.a. Auch Teile aus verschiedenen Messen wurden aufgeführt: so z.B. aus Schuberts Es-Dur-Messe (Kyrie, Gloria, Sanctus), Beethoven: Missa solemnis (Sanctus), Mozart: Missa brevis (Agnus), Kromolicki: Missa B-Moll (op. 9) (Sanctus, Benedictus).

Was die Proprien angeht, wurden Introitus und Communio choraliter gesungen oder rezitiert. Weiter wurden gesungen: Stehle: 48 Introiten a-cappella; Gradualien: Witt, Leitner; Offertorien: Leitner, Witt, Filke, Stehle, Kagerer, Mayer, Schaller, Seyler, Welker, Leh u.a. Aus der klassischen Polyphonie: Palestrina, Orlando di Lasso, Vittoria, Aichinger u.a.

Während seines 40-jährigen Bestehens trat der Chor über 1000 mal auf. Für jeden Auftritt je 5 Proben berechnet (es waren oft auch mehrere) macht eine Zahl von über 5.000 Proben aus.

Der Chor besteht zur Zeit aus 56 Sängern und Sängerinnen. Besonders hervorzuheben sind die Sopranstimmen, auch in der Höhe ohne Schärfe, wie auch die schönen, runden Altstimmen. Auch die Männerstimmen stehen ihnen nicht nach, so dass der Eindruck des ganzen Chores ein wohlausgeglichener ist. Der Chor ist derart eingeübt und auf solcher musikalischen Höhe des Vortrags, dass ihm das Singen der klassischen wie auch der modernen Meister keine Schwierigkeiten bereitet. Die Organisation der Feier führte die Kirchengemeinde an der Spitze mit dem Abt-Pfarrer Franz Fath, dem Inspektor Dr. Wilhelm Vilt, dem Syndikus Johann Abraham mit den Mitgliedern des jubilierenden Chores Cäcilia mustergültig durch.

Zu dem Feste sind die besten vier Kirchenchöre aus der Umgebung gekommen. Den Auftakt zum Feste sollte am Vorabend, den 26. August, ein Orgelkonzert gegeben, am 27. mit zwei Messen und einer Litanei sollte das Fest fortgesetzt und mit Preissingen und einem Massenchorauftritte beendet werden. Das Orgelkonzert in der Kirche, eine Neuigkeit in Novi Sad, zeigte, mit welch großem Interesse die ganze Gemeinde die Feier erwartete (und ihr auch tatsächlich vom Anfang bis zum Ende beiwohnte). Die Kirche, ein schöner gotischer Bau, festlich beleuchtet, war gänzlich voll mit andächtigem Publikum.

Am 27. August wurde das Fest mit einer stillen Messe fortgesetzt, wobei die 9. Choralmesse gesungen wurde. Danach folgte das feierliche Pontifikalamt, zelebriert von Sr. Exzellenz Bischof Ludwig Budanovic mit feierlicher und glänzender Assistenz der Äbte Franz Fath und F. Petranyi (mit Infula) und einer großen Geistlichkeit. Seit vielen Jahrzehnten (vielleicht auch noch nie) war ein so feierliches Pontifikalamt in Novi Sad wie bei dieser Jubiläumsfeier überhaupt nicht zelebriert. Ein schönes Zeichen, wie die Hochw. Geistlichkeit das Fest, das Jubiläum des Kirchengesanges, wie auch den Kirchengesang überhaupt hoch hält. Das Programm zu dem Pontifikalamt lautete:

M. Filke: Ecce sacerdos (gem. Chor u. Orch.),

A) Ordinarium: J. Rheinberger: Messe in C-Dur, op. 169 (gem. Chor u. Orch.),

B) Proprium: Introitus: Choraliter,

Graduale: K. A. Leitner (gem. Chor u. Orgel),

Offertorium: Falsi bordoni,

dann als Einlage: Mayer: Assumpta est (gem. Chor a-cappella),

Communio: choraliter.

Die beiden Messen sang der jubilierende Chor Cäcilia mit Jakob Leh als Dirigenten, an der Orgel Dr. F. Dickmann.

Nachmittags bei der Litanei wurde nur Choral gesungen (Lauret. Litanei, Salve regina und Tantum ergo).

Abends fand im Konzertsaal das Preissingen und danach das Singen des Massenchores statt mit Werken von Palestrina, Lasso, Mozart, Griesbacher, Schaller, H. Schröder.

Der Gesamtchor mit 220 Sängern sang gregorianischen Choral: (Dominica in Palmis: Antiphon Hosanna Filio David,

Antiph. Pueri Hebraeorum,

Alia Antiph. Pueri Hebraeorum

Dominica in Sexagesima, Introitus: Exsurge.

Vittoria: Duo Seraphim (Resp. des 1. Sonnt. nach Pfingsten), 4-stimmig,

G. Aichinger: Assumpta est, 3-stimmig,

Vittoria: Ave Maria.

F. Dugan: Angelus Domini (Offert. des Ostermontags),

Kromolicki: Sanctus aus der Messe B-Moll (op. 9)

Friedr. Schmidt, Laudate Dominum (8-stimmig),

J. Leh: Intonuit de coelo (Offert. des Pfingstmontags).

Das Fest stand im Zeichen des Chorals. Im ganzen kamen 16 Choralgesänge zur Aufführung.

Noch etwas. Dieses Fest war nicht nur von der moralischen und materiellen Seite erfolgreich; es hatte noch einen dritten und größeren Erfolg: den praktischen. Denn fast alle Chöre sind ausgewählt aus dem Osterkreise, sind praktisch verwendbar und bedeuten eine wirkliche Bereicherung des Repertoires eines jeden von den teilnehmenden Chören. Diese praktische Seite sollte bei solchen Festen den Vorrang haben und mit ihrer tieferen Bedeutung auch erzieherisch wirken.

Das Fest war ein Sieg, ein Triumph des Kirchengesanges. Der ganze Tag war ein Hymnus von den schönsten Gesängen, Perlen wahrer Kirchenmusik, zur Gloria und zur größeren Verherrlichung Gottes.

Es war die höchste Zeit, dass die musikalische Welt einen Begriff von der Tätigkeit dieses Chores und seines Chorleiters Jakob Leh bekommt. In einer völligen Finsternis ein Lichtlein vor 40 Jahren anzuzünden und es bis heute lebendig aufrechterhalten, ist eine heroische Tat. „Und das Licht leuchte in der Finsternis und die Finsternis bekam keine Gewalt über ihn.“ Möge der Kirchenchor Cäcilia in Novi Sad und sein Chorleiter Jakob Leh noch lange gemeinsam weiterarbeiten, erfolgreich wie bis zu diesem prächtigen Feste, denn wir sind überzeugt, dass dieser Wunsch in der Seele eines jeden Anwesenden mit den Worten des schwungvollen Liedes noch lange nachklang: Ad multos annos!

 

 

Laudate Dominum! Lobet den Herrn!

Katholisches Gebet- und Gesangbuch

Unter Mitwirkung mehrerer Priester, Chordirektoren und Kantoren herausgegeben von Jakob Leh in Novisad.

Mit oberhirtlicher Genehmigung

1925. Verlag von Friedrich Bachinger in Subotiza

Nihil obstat. Dr. Jacobus Egerth, censor

Nr. 1673/1924. Imprimatur. Suboticae, die 9. Aug. a. 1924, Ludovicus Budanovic, Administrator Apostolicus

 

Vorwort.

“Singet dem Herrn ein neues Lied!“ (Ps. 95, 1.)

Eine Sammlung vieler neuer Lieder ist jetzt hier erschienen um dem lieben Volke, den Getreuen des Herrn, Gelegenheit zu geben, den Herrn zu loben und zu preisen, und den Namen des Herrn in schönen und erbaulichen Liedern zu verherrlichen.

Es sind hier auch die beim liturgischen Gottesdienste vorgeschriebenen lateinischen Gesänge (Gregorianische Gesänge) aufgenommen, - um es dem Volke zu ermöglichen – die leichtesten und wichtigsten liturgischen Gesänge (Responsorien, Kyrie, Gloria, Kredo, Sanktus, Benediktus, Agnus Die, Tantum ergo, usw.) zu erlernen und dann auch zu singen. Es geschah dies um zum Teile die kirchliche Vorschrift zu erfüllen, welche sagt: „Besonders sorge man dafür, dass der gregorianische Gesang wieder beim Volke eingeführt werde, damit die Gläubigen von neuem einen tätigen Anteil am Gottesdienste nehmen, wie dieses früher der Fall war.“ (Papst Pius X., Motu proprio, 22. XI. 1903).

Es sei hier hervorgehoben, dass mit der gütigen Erlaubnis des Hochwürdigen Herrn Bischofs zu Rottenburg, Dr. Keppler, aus dem Rottenburger Diözesangesangbuch 1922 die „Einheitslieder“ und außerdem noch einige Lieder in dieses Gesangbuch aufgenommen wurden. Der innigste Dank sei für die Güte hiermit dargebracht.

Auch bemerke ich, dass aus vielen und weiten Gemeinden mir die dort üblichen und schönsten Lieder zugesandt wurden, aus welchen ich dann die allerschönsten in dieses Werk aufgenommen habe.

Und nun seine Dankesworte gewidmet allen jenen Herren, welche beim Zustandekommen des Werkes mir mit Rat und Tat beigestanden haben. Besonders sei innigster Dank gesagt den Hochw. Herren Abtpfarrer Dr. J. Egerth und Pfarrer M. Leh, welche die Güte hatten, noch vor der Einreichung zur kirchlichen Zensur, die Gebete und Andachten durchzusehen und zu ergänzen. Ferner allen Priestern und 20 Kollegen, welche schöne Gebete und Lieder einsandten, sei hiermit der herzlichste Dank ausgesprochen.

Kurz noch einige Worte über das Singen.

Das Singen in der Kirche dient zur Verherrlichung Gottes. Es muss daher alles vermieden werden, was diese Verherrlichung verringert oder gar verunstaltet.

Wer also nicht singen kann, möge in der Kirche nicht mitsingen. Ferner soll gemieden werden:

1. Das überlaute Singen (Schreien),

2. Das Schleppen des Gesanges.

Beide Übel sind die größten Fehler, welche den Gesang in der Kirche unschön machen.

In der Kirche soll nur schön und andächtig (mit Verständnis und aus dem Herzen kommend) „zur größeren Ehre Gottes“ gesungen werden.

Jakob Leh

 

Jakob Leh

Brief von Kantorlehrer Jakob Leh an die Musica Sacra in Regensburg (Neusatz / Novi Sad 1940)

Ausschnitt, mit der Unterschrift von Jakob Leh (1940)

Kantorlehrer Paul Leh

Brief von Kantorlehrer Paul Leh an die Musica Sacra in Regensburg (Neuwerbass 1895)

Ausschnitt, mit der Unterschrift von Paul Leh (1895)

Das Kirchengesangbuch von Jakob Leh: Laudate Dominum

Kirchengesangbuch Laudate Dominum als Sonderdruck (Rottenburg, um 1980)

Das Orgelbuch zum Kirchengesangbuch Laudate Dominum, herausgegeben von Josef Negele

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2018

 

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