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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Stefan Ochaba

(1904-1948)

von Dr. Franz Metz

Stefan Ochaba kam 1904 in Brünn/Brno zur Welt und besuchte die Elementar- und Musikschule in Brünn. Mit 14 Jahren begann er das Studium an der Akademie für Musik und Darstellende Kunst in Wien, deren Abteilung für Kirchenmusik, die sich in der Zwischenkriegszeit in Klosterneuburg befand. Hier war er Schüler von Max Springer, Franz Moißl, Vinzenz Goller und Andreas Weißenbäck, der in den Jahren 1922-1930 auch deren Leiter war. Nach der Beendigung dieses Studiums kam er ins Banat nach Pantschowa (Banat, seit 1919 bereits zu Jugoslawien gehörend) und Werschetz wo er als Kirchenmusiker, Chorleiter, Pädagoge und Komponist tätig war. 1925 wurde er Leiter der Bischöflichen Kantorschule in Werschetz. Im Jahre 1938 musste er im Zuge der Rückführung der im Ausland lebenden deutschen Staatsbürger nach Wien zurückkehren und hinterließ in Werschetz all seinen musikalischen Nachlass, in der Absicht, bald wenigstens seine Kompositionen nachholen zu können. Leider war dies wegen dem Beginn des Krieges nicht mehr möglich. Da er nicht der NSDAP beitrat wurde er als Musiklehrer an Mittelschulen in Wien eingesetzt. Wegen seiner schweren Gelenksentzündung war er für den Kriegsdienst ungeeignet. Da er während einer Musikstunde den Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy als seinen Lieblingskomponisten bezeichnet hat, dessen Werke als die eines jüdischen – also verbotenen – Komponisten bezeichnet wurden, wurde er an zwei Schulen außerhalb Wiens versetzt. Da er trotzdem weiterhin in der Wiener Servitenkirche die Orgel spielte und den dortigen Kirchenchor geleitet hat, wurde er samt Familie als politisch unzuverlässig eingestuft und durften den Raum Wien nicht mehr verlassen. Wegen seines schlechten Gesundheitszustandes wurde er nun als Hilfslehrer an der damaligen Oberschule Klosterneuburg eingestellt. Er litt sehr an der Brutalität des Krieges, den Zerstörungen und dem Mangel, den ständigen Kontrollen und konnte sich nicht mehr der Komposition widmen. Seine Kompositionen, Noten- und Instrumentensammlung in Pantschowa wurde durch die Partisanen Titos zerstört. Körperlich geschwächt, hatte er keine Kraft mehr eine Lungenentzündung zu überwinden und starb 1948 in Wien.

Sein ehemaliger Lehrer an der Wiener Akademie, Prof. Andreas Weißenbäck, stellte ihm 1946 folgendes Zeugnis aus:

 

BESTÄTIGUNG

Wien, 7.2.1946

Als seinerzeitiger Leiter der Abteilung für Kirchenmusik bestätige ich, dass unser Institut in den Jahren nach dem ersten Weltkriege eine Anzahl von Absolventen als Kirchenmusiker und Chorleiter in deutsche Gemeinden in Serbien (Jugoslawien) und Rumänien geschickt hat, welche dort als Pioniere für unsere künstlerischen Ideen wirken sollten und tatsächlich auch durchwegs mit bestem Erfolg gearbeitet haben.

Unter diesen jungen Leuten befand sich auch Herr Prof. Stefan Ochaba, der 1924 von hier nach Pancsova zu gehen beauftragt wurde.

Prof. Dr. Andreas Weißenbäck

Leiter der Abteilung für Kirchenmusik von 1922-1930

 

Dieses Schreiben Weißenbäcks wurde von der Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst 1946 bestätigt.

 

Vor einigen Jahren konnten in Werschetz in der katholischen St. Gerhardskirche einige Kompositionen Stefan Ochabas entdeckt werden. Es handelt sich um einige Chorwerke, Lieder und kammermusikalischen Kompositionen. Bei seiner Familie in Baden bei Wien konnten weitere Skizzen und Aufzeichnungen gefunden werden. Ochaba hinterließ auch ein interessantes Autograph aus dem Jahre 1938, also kurz bevor er Werschetz verlassen musste. Es ist eine umfassende Studie mit dem Titel Musik als Farbe. Der musikalische Klang als Farbenstufe und als Farbenträger analysiert. Darin tangiert er auch die damalige zeitgenössische Musik und schreibt: „… Durch die chaosartige Nachkriegszeit die überall Verwüstungen angerichtet hat ist auch die Musik nicht verschont geblieben und das Innenleben der Menschen. (…) Dass sich auch neben dieser [der klassischen und romantischen Musik] die moderne Musik neue Wege sucht, ist nicht zu wundern. Es muss ja etwas Neues geschaffen und gesucht werden. Ob durch die neue Atonalität etwas Neues geschaffen werden kann, wird das ebensolchen Wert besitzen wie die Kunstmusik in der bisher temperierten Stimmung, das wird sich erst in der Zukunft beweisen und bestätigen. Das eine ist sicher: wenn auch etwas Neues auftauchen wird, nur dann wird es Wert und Dauer besitzen, wenn es die Menschen an der Empfindung, dem Gefühl, packt und ergreift (…). Wenn Empfindung und Gefühl nicht mitsprechen, kann nicht unser Erleben beeinflusst werden und dies hat dann auch für uns keine dauernde Schönheit.

 

Zwischen 1926-1939 leitete Ochaba den Chor der katholischen Kirche in Werschetz und eröffnete die Bischöfliche Kantorenschule, die über 20 Kirchenmusiker absolvierten. 1930 erschien sein Gesangbuch: Kirchenliederbuch. Sammlung von geistlichen Volksgesängen zum Gebrauch beim heiligen Gottesdienst. Gesammelt und durchgesehen von Stefan Ochaba, Regenschori. Wrschatz 1930. Es erschien 1936 auch ein Anhang zum Kirchenliederbuch. Von seinen zahlreichen Kompositionen sind uns nur wenige erhalten geblieben: Herr, bleib bei uns (Edition Musik Südost, München 2001), Vater unser, Gegrüßet seist du, Maria, eine Deutsche Messe, Marienmesse, Trauerchöre, Abend auf der Heide, Salve Regina, mehrere Lieder, u.a.

 

Bilddokumentation

 

Bestätigung von Prof. Weissenbäck (Wien 1946)

Prof. Weissenbäck zu Besuch bei Familie Ochaba (Kritzendorf 1946)

Ochaba: Herr, bleib bei uns (Pfarrkirche Werschetz)

Ochaba: Partitur der Marienmesse

Prof. Weissenbäck zu Besuch bei Stefan Ochaba (Kritzendorf 1946)

Ochaba: Reife-Zeugnis der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien

Stefan Ochaba (Werschetz 1936)

Stefan Ochaba (Wien 1946)

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007

 

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